Wienerlied

Kurt Girk ist tot: Ein ewiger Ottakringer Gassenbub

Clemens Fabry
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Kurt Girk, ein stiller Held der Renaissance des Wienerlieds, ist 87-jährig gestorben.

„Küssen! Singen! Trinken!“ hieß sein letztes Album. Kurt Girk, Ottakringer Natursänger, hat sich fürwahr sein Leben lang auf das Wesentliche konzentriert. Wein, Weib, Gesang, dazu nicht zu wenig Tschicks und eine „feine Schaln“. Nicht zufällig wurde er „Sinatra von Ottakring“ genannt. Girk war ein echter Sir.

Vor allem bei seinen Auftritten: Ohne falsche Hast wanderte er da mit zwei Musikanten, meist Kontragitarrist Rudi Koschelu und Akkordeonist Tommy Hojsa, von Tisch zu Tisch. Wünsche konnte man vorbringen, aber gespielt haben sie dann erst recht, was sie wollten. Oft waren es wehe Rückblicke wie „Lannermusik“ oder „Wo bleibt die alte Zeit“, ein Lied, das die Wiener Gemütlichkeit schon mit dem Aufkommen der Operette sterben sah.

Persönlich war Girk durchaus realistisch. „A gute alte Zeit hat es in Wirklichkeit nie gegeben. Die ist eine Erfindung. Die Masse hat gelitten. Ein Schmalzbrot und ein Tee waren damals ein gutes Nachtmahl“, sagte er einmal zur „Presse“. Und doch hat er seine die Vergangenheit verklärenden Lieder nicht bloß gesungen, sondern gelebt. Der 1932 Geborene kam eigentlich nie aus Ottakring hinaus. Er war und blieb ein Gassenbub. Schon in der Schule fiel er durch seine Freude am Singen auf. Pro forma wurde er Schneider. Sein Sinn fürs Praktische bewog ihn, sich in der Nachkriegszeit als Altmetalltandler selbstständig zu machen. Mit dem Pferdewagen fuhr er quer durch Wien, abends sang er in Ottakringer Etablissements wie dem Weingartner.

New York schlug er aus

Einmal kam ein Angebot, im Waldorf-Astoria in New York zu singen. Girk lehnte ab, bereute es später: „Wenigstens ein Jahr hätte ich es probieren sollen. Irving Berlin und Cole Porter waren Stammgäste im Waldorf-Astoria. Ich aber bin der Eisen- und Schrott-Girk geblieben in Ottakring.“ Nicht einmal ein Gefängnisaufenthalt in der Strafanstalt Karlau wegen angeblicher Komplizenschaft bei einem Postraub trübte Girks Stimmung nachhaltig: „Auf leiwand hab ich sie alle gehabt.“ Zwei Tage nach seiner Entlassung sang er schon wieder am Wiener Schafberg. Und so wurde Girk zu einem wesentlichen Proponenten, ja zu einer Kultfigur, der Renaissance des Wienerlieds. Bis zuletzt wurde er von der Szene hofiert. Jetzt starb dieses liebenswerte Original hochdekoriert nach längerer Krankheit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2019)

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