Pop

Clapton: Endstation Kleinbürgertum

(c) APA (HERBERT P. OCZERET)
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Ein gemischtes Doppel live in der ausverkauften Wiener Stadthalle. Steve Winwood gegen Eric Clapton - oder: Leidenschaft gegen Selbstgefälligkeit.

In den späten Sechzigern verliebte sich Eric Clapton in die Frau seines Freundes George Harrison. Weil er damals keine Worte dafür hatte, sich aus seiner durch Amors Pfeil verursachten Wunde heraus zu erklären, griff Clapton zu einem Büchlein des schon von Goethe gerühmten persischen Dichters Nezami Ganjavi. Die im Dezember 1970 erschienene Platte „Layla & Other Assorted Love Songs“ hält mit „I Am Yours“ noch einen zweiten Song bereit, der im Grunde eine Vertonung eines von Ganjavis Gedichten ist. Rockgeschichte schrieb indes „Layla“, das auf Ganjavis Poem „The Story Of Layla And Manjun“ fußt: Der Song ist ein einziger Schmerzensschrei, der in einer pianistischen Agonie verhallt.

Clapton sang ihn wie ein Gehäuteter, Aufgespießter, am lebendigen Leib Gerösteter. Er malte der Angebeteten Grauen an die Wand: „What'll you do when you get lonely and nobody's waiting by your side? You've been running and hiding much too long, you know it's just your foolish pride.“

Einst warf sich Clapton in den Staub

Er warf sich – wie uncool – vor ihr in den Staub und flehte: „Layla, you've got me on my knees, Layla I'm begging, darling please. Layla, darling won't you ease my mind?“ Nie wieder klang Clapton so intensiv, nie wieder hinterließ er soviel Pheromone. Man bedauert fast, dass es für ihn mit zehn Jahren Verspätung ein Happy End mit Pattie Boyd-Harrison gab. Er hat es offensichtlich auch selbst bald bereut. Die Ehe hielt nur wenige Jahre. Der Fluch der Publikumsbeliebtheit zwingt dieses mit einer Verzögerung von zwei Jahren zum Hit gewordene „Layla“ bis zum heutigen Tage ins Repertoire des 65-jährigen Gitarristen aus Surrey. Doch so schön das Original war, so grauenhaft fuhr die seit Jahren praktizierte Schunkelversion dieses einstigen Fanals einer vergeblichen Liebe in der Stadthalle ein.

Frisch gefönt stand „Slowhand“ Clapton an der Rampe, ironisierte seine einstige heroische Tat, sich im Namen der Liebe preiszugeben. Er ist saturiert, weigert sich, noch irgendeinen Blutzoll für seine Kunst zu zahlen. Statt ums Exorzieren von Dämonen geht es nur um Radiofreundlichkeit. Das musikantenstadlmäßige Klatschen der Fans deutete es an: Endstation Kleinbürgertum.

Jetzt spielt Clapton Blues wie Theater

In den letzten Jahren rettet sich der erstaunlich langweilig gewordene, einst als „Gott“ apostrophierte Clapton, indem er alte Freunde um sich schart und versucht, die Funken früherer Leidenschaft aus dem Stein zu schlagen, der sein Herz geworden ist. Mal überrascht er mit einem Cream-Comeback, dann geht er wieder mit dem coolen J.J. Cale auf Achse. Seit zwei Jahren hat er mit Steve Winwood einen Kameraden, mit dem sich die großen Säle dauerhaft füllen lassen. Ihr gemeinsames Album „Live From Madison Square Garden“ reflektiert eine ähnliche Situation, wie man sie auch in der Wiener Stadthalle vorfand: Ein herausragender Steve Winwood spielt Clapton in praktisch jeder Hinsicht an die Wand, trotzdem bekommt Clapton mehr Applaus.

Unverständlich, schließlich ist Claptons technisch zweifellos gutes, aber letztlich doch unbelebtes, weil von keinerlei Zweifeln kontaminiertes Gitarrenspiel im Grunde kein Blues. Während echter Blues weint, schreit und blutet, spielt ihn Clapton wie eine Theaterrolle. Die Glut dieses Abends verdankte sich fast ausschließlich Steve Winwood. Das legte er schon im intensiven Opener „Had To Cry Today“ fest, einem Song, den Clapton und Winwood 1969 in einer sogenannten Supergroup namens Blind Faith kreierten.

Erstaunlich, wie sehr sich Winwood das Feuer in der Stimme erhalten hat. Als 15-Jähriger schrie er sich in der Spencer Davis Group heiser. Später gründete er die introvertierten Traffic, Traumband europäischer Hippies. 1977 begann seine merkwürdige Solokarriere, die künstlerisch großartig begann, später in Synthiebombast endete. Erst in der letzten Dekade konnte Winwood mit genialen Alben wie „Nine Lives“ an alte Leistungen anschließen.

Selbstvergessen, sich nie ans Publikum anbiedernd, fräste sich Winwood durch Hits und Raritäten. An der Hammondorgel brillierte er mit dem rüden „Gimme Some Lovin'“, bestach mit einem vor Schönheit blutenden „Georgia On My Mind“. Ins Klavier hämmerte er eine funky Version des Traffic-Instrumentals „Glad“, ein vor Leidenschaft funkelndes „Midland Maniac“.

Flauer Applaus nach fadem Kokain?

Clapton hatte seine besten Momente beim rauen „After Midnight“, noch mehr beim gospeligen „In The Presence Of The Lord“, bei dem er sich die Freiheit nahm, nicht allzu sehr brillieren zu wollen. Perfekt gelang das attraktiv köchelnde Blind-Faith-Stück „Can't Find My Way Home“. Da kommunizierten die beiden Protagonisten und ihre erfahrenen Sidemen Steve Gadd, Chris Stainton und Willie Weeks makellos, sonderten nicht zu viel und nicht zu wenig ab. Während „Cocaine“ nur fad war, belebte die scharf tönende Zugabe „Dear Mr. Fantasy“. Das von vielen erhoffte Hendrix-Cover „Voodoo Chile“ blieb aus. War der Applaus zu flau?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2010)

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