Pop

Musik für Blaskapelle und Gameboy

Crossover! Im Wiener Rhiz gaben die Ottakringer MusikarbeiterInnenkapelle und Solisten des „Gameboy Music Club“ ein gemeinsames Konzert: streng und spannend.

Sie klingt stets leicht nervend, keine Frage, aber sie hat ihren Reiz: Auf Gameboys (ja, genau, das sind diese kleinen Geräte, auf denen die jungen Leute überall ihre Spiele spielen) gespielte Musik hat meist etwas Drehleierartiges, es geht immer weiter, aus den kurzen Signalmelodien wird mit der Zeit eine Meditation, das Mantra einer Figur, die dazu verdammt ist, zu laufen, Punkte zu sammeln und Hindernissen auszuweichen. Das Leben als Spiel und als Spielhölle.

Es gibt wenige Ensembles, die sich diesem Spielzeug als Musikinstrument widmen und dafür konsequent komponieren. Der Wiener „Gameboy Music Club“, bereits 2002 von Wolfgang Kopper und Herbert Weixelbaum als „Spielgemeinschaft“ gegründet, ist heute die weltweit größte Vereinigung seiner Art. Einmal im Monat schnallt er sich ein „hot“ vor den Namen und spielt im Wiener Musiklokal Rhiz. Zu dessen Selbstdefinition als „Bar modern“ passt das bestens: Die Zivilisationsgeräusche von der Mischmaschine bis zum Handysignal nicht zu verurteilen und zwangsweise zu begrünen, sondern lieben zu lernen, das ist ja eines der klassischen Programme der Pop-Moderne, die einst unter New Wave lief.

In einer deutlich älteren Tradition steht die Ottakringer MusikarbeiterInnenkapelle, eine Blaskapelle, die vor viereinhalb Jahren zum Ersten Mai gegründet wurde (Mitinitiator: Wolfgang Kopper), aber deutlich mehr nach New Orleans klingt, als es alte Wiener Sozialdemokraten gewohnt waren. Und nach Pop: Gerne spielt die Kapelle z.B. „Hey Ya“ von Outkast oder „Hit Me Baby (One More Time)“ von Britney Spears.

Beides gab es an diesem denkwürdigen Abend im Rhiz, dazu aber Kompositionen von Solisten des Gameboy Music Club. Wie sich das mischte? Schlecht und gut zugleich. Hier die per definitionem solipsistische und maschinelle Gameboy-Musik, dort die naturgemäß kollektive Blaskapelle, eine Maschine aus Menschen sozusagen: eine Konfrontation zweier völlig konträrer Konzepte, aber auch zweier Arten von musikalischem Fluss. Zwei Flüsse, die nicht sofort ineinanderfließen, sondern Wirbel bilden. Spannend jedenfalls. Voraussage: 2011 werden etliche Festivals mit Anspruch sich um dieses Projekt reißen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2010)

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