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Ludwig Hirsch: Dichter dunkelgrauer Lieder

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Der Sänger und Schauspieler Ludwig Hirsch starb mit 65 Jahren. Er war ein Satiriker, Poet, Mundartdichter, liebessüchtig und melancholisch.

Der Diener Firs in Tschechows „Kirschgarten“ lässt sich nach der Abreise seiner Herrschaft im Haus einsperren und stirbt zum Klang der Äxte, die die Bäume fällen. Ludwig Hirsch spielte diese Rolle vor einigen Jahren grandios bei den Festspielen in Reichenau, wie auch den Weinberl in Nestroys „Jux“ im Volkstheater.

Hirsch kam von der Bühne. Der Steirer, geboren 1946 bei Hartberg, Sohn eines Arztes, gründete zwar mit 17 Jahren eine Rockband, trat aber 1967 in die Wiener Schauspielschule Krauss ein, wo Fritz Muliar sein Mentor wurde. Hirschs Bühnenkarriere begann in Regensburg, führte bis ans Hamburger Thalia Theater und in die Wiener Josefstadt. 1977 präsentierte er erstmals eigene Lieder. Was machte Hirschs Stil aus? Er hatte viel von einem französischen Chansonnier. Er sang in einer Art artifiziellem Dialekt. Er wurde mit den Beatles und den Rolling Stones groß. Seine Lieder waren rau. Er behielt stets einen beiläufigen Balladenton bei, wurde nie laut oder schrill, nicht einmal bei den bösesten Botschaften.

Böser Klassiker „Die Omama“

„Die Omama“, um die man nicht trauern kann, weil sie den Hitler verehrte und den Buben, der ihre Knödel nicht aufessen wollte, mit dem Pracker schlug, bis er betete, ist eines der berühmtesten Lieder Ludwig Hirschs. Er konnte aber auch nett sein: „Gel, du magst mi“, selbst wenn, wie in einem anderen Liebeslied, die verehrte Unschuld vom Lande beim Kostümfest mit einem Affen davongeht. Dass sie später mit Flöhen aus Käfig sieben in Schönbrunn zurückkehrt, verleiht diesem Song eine surreale Note. „Weich fällt der Schnee“ im „Dorftrottel“. In „Spuck den Schnuller aus“ werden sämtliche Märchenfiguren durch den sprichwörtlichen Kakao gezogen: Gretel ist schwanger, die Hexe eine Engelmacherin und der Wolf ein Exhibitionist. Zum Austropop will der Fantast Hirsch nicht passen. Seine lautmalerisch-bissigen Texte erinnern an H.C. Artmann, André Heller oder Reinhard Mey. Für Wien schrieb Hirsch seine ersten Lieder. Er dachte nicht, dass er in Berlin und München landen würde. Dass dies gelang, ist auch verwunderlich, denn der österreichische Dialekt überspringt nur selten die Landesgrenzen. Hier bewährte sich, dass Hirsch nie sprachexperimentell abhob. Er etablierte sich als singender Misanthrop mit grimmigem Humor. Zweimal Platin errang er für die „Dunkelgrauen Lieder“ (1978) und noch einmal 1979 für „Komm, großer schwarzer Vogel“. Wie bei Qualtinger, Bronner wurden manche Sätze aus Hirschs Liedern, von denen sich einige leicht nachsingen lassen, zu geflügelten Worten: „Die sieben Raben, es waren nur sechs, die gute Fee, es war a Hex...“ Hirsch wirkte nie sehr jung. Der hagere Mann schien kaum zu altern, als Klassiker hatte er sich früh etabliert. Er war ein Original, kein Geschöpf aus der Marketingabteilung eines Tonträgerkonzerns. Seine Fans blieben ihm über Jahrzehnte treu, alterten mit ihm, freuten sich, wenn er im Kino oder im „Tatort“ auftauchte. Dass auch Junge ihn mochten, sieht man auf Facebook: „Ich werde dich vermissen“, notiert eine jugendliche Nicole mit Herzchen. „Franz Josef Degenhardt, Georg Kreisler und Ludwig Hirsch veranstalten jetzt die große Show auf Wolke 17“, schreibt ein anderer – was zeigt, wie weit gespannt Hirschs Kunst gesehen wird.

„Till Eulenspiegel“ voll Witz und Grimm

Hirsch hinterlässt ein beeindruckendes Gesamtwerk, vor allem seine Lieder von „Dunkelgrau“ bis „In Ewigkeit Damen“, einen Sammelband mit Texten („Ich weiß es nicht, wohin die Engel fliegen“), aber auch z.B. Hörbücher („Till Eulenspiegel“, „Weihnachtsgeschichten“). Er war auch ein beliebter Interviewpartner – kein Selbstdarsteller, sondern ehrlich, authentisch wie auf der Bühne. In einem dieser Gespräche erklärte er, das Fegefeuer sei die hiesige Welt: „Es geht uns besser drüben dann, wenn man das Leben halbwegs gut über die Runden gebracht hat.“ Das Ende scheint dennoch dramatisch gewesen zu sein: Hirsch stürzte sich, schwer erkrankt, Donnerstagfrüh aus einem Fenster des Wilhelminenspitals.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2011)

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