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Trackshittaz: Party like a Goasbock

Songcontest Party like Goasbock
Songcontest Party like Goasbock(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Die Trackshittaz sind mit "Woki mit deim Popo" ihrer Favoritenrolle gerecht geworden und setzen sich schließlich gegen Conchita Wurst durch. Die Landjugend fährt zum Songcontest nach Baku.

Alle Jahre wieder greifen für kurze Zeit die Filter der Zivilisation nicht mehr und erwachsene Menschen sprechen einem Singwettbewerb namens Songcontest höhere symbolische Bedeutung zu. Schon die nationale Ausscheidung dafür wird zum Schlachtfeld der Werte, aber auch zur Projektionsfläche kindlicher Fantasien. Die zu befürchtenden Kollisionen mit der Wirklichkeit verhinderten Ö3-Moderatoren: Robert Kratky, Mirjam Weichselbraun, Andi Knoll strahlten von Berufs wegen wie frisch lackierte Hutschpferderln.

Penetrant positiv gestimmt war auch Wahlösterreicher James Cottriall. Er berief sich auf den angeblich ursprünglichen Gedanken des Songcontests, nämlich „Frieden in Europa“. Sein Motto „Be Happy!, lebe deine Träume, lass dich nicht verunsichern“ war ideal für jemanden, dessen Drang, sich mitzuteilen, eindeutig schwerer wiegt als die Möglichkeit einer Blamage. Erleichterung, als der bleierne Refrain „Stand up for what you want“ abebbte. Mit solchen Songs hätte Cottriall in Großbritannien wohl keinen Auftrag. Aber in einem Land, das so gern Licht ins Dunkel bringt wie Österreich, rechnete er sich zu Recht Chancen aus.

Scheitel und Krautschädel. Manchmal verrät sich die falsche Einstellung in der Maske der Selbstironie. Bei Norbert Schneider war es das lockere Bekenntnis, früh von der Violine zur Gitarre gewechselt zu haben, weil „er sonst keine Mädchen abbekommen hätte“. Solch Profanität verscheucht die Musen. So entpuppte sich Schneider mit „Medicate My Blues Away“ als bloß gut gescheitelter Poseur. Aus Oberösterreich, dem Land, das uns das Vokabel Söckiebär (Schaf) schenkte, kamen Krautschädel an. Ihr epigonaler Hardrock hatte nur Außenseiterchancen. Entgegen der Volksmeinung zelebrierten sie ihr Motto „He, tua ma uns an Guat'n auf!“ ungeschwächt. Fidel präsentierte sich auch Chanteuse Valerie. Betont locker stöckelte sie mit quietschgelben Gundel-Gaukely-Pumps zur ansprechendsten Nummer des Abends: „Comme ça“. Jetzt weiß Österreich, dass Qualität und Erfolg meist entkoppelt sind.

Dieses Phänomens nimmt sich der ORF seit Jahren an. Folgerichtig verspürt der domestizierte Gebührenzahler die größte Freiheit dann, wenn er intensiv leidet. „Österreich rockt den Songcontest“ bot reichlich Anlass dafür. Etwa durch notorische Selbstdarsteller wie Dominik Heinzl und Sido.

Es gab auch Performances, die den Anforderungen zum masochistischen Fernsehglück ideal entsprachen. Die betuliche Soul-Funk-Blues-Pop-Band Mary Broadcast und ganz oben die unsäglichen Papermoon, die den „Vater, Father, Mon Père“ ansäuselten. Sängerin Edina Thalhammer muss irgendwelche Viecherln im Leib haben, die ihr die rote Farbe aus dem Blut trinken. Ehe die Kabeln zu sehr anschwollen, trat der jüngst zur Kultfigur geadelte Peter Rapp auf den Plan. „Man muss den Zorn und Ärger, den Kandidaten mitunter auslösen, locker nehmen.“

Es sind nicht immer Schwärmerei oder Ärger, die durch musikalische Darbietungen ausgelöst werden. Das viel zu minder geschätzte Gefühl der Indifferenz baute sich nach !Deladaps seichtem Stück „Don't Turn Around“ auf. Ihr Schubi-Du-Dschibsi-Electro taumelt internationalen Trends ein bisserl arg nach. Auch Sidos 3punkt5 schafften es, eine solide Leistung abzurufen, ohne die Gemüter zu erschüttern. Ihre Kunst leidet an Texten, die wirkten, als wären sie ihnen von romantischen Sozialarbeitern eingebläut worden. Die flügellahmen Flows (Rap-Technik) sorgten zudem für Lidschwere.


Ein logisches Finale. Das logische Finale bestritten Conchita Wurst und die Trackshittaz. Miss Wurst, die jeder Moderator rechtschaffen panisch „Kunstfigur“ nennt, leierte einmal mehr das Lied der Toleranz herunter. Eine Unsitte, die aus dem Privatfernsehen kommt, wo mit krassen Schicksalen und nebulösen sexuellen Ausrichtungen Aufmerksamkeitskeilerei betrieben wird. Mehr Eunuch als Diva, sang sie sich in Rage. Das brustschwache „That's What I Am“ sackte verdienterweise ab.

Jeden Klon-Verdachts enthoben waren die oberösterreichischen Trackshittaz. Gegen deren aggressive Bühnenpräsenz war kein Kraut gewachsen. Sie sind die „Buam ausn Stoi“, die die lebensfroh zwischen Mucki-Bude und Kampftrinken pendelnde Landjugend repräsentieren. Das famose „Woki mit deim Popo“ musste da gar nicht mit verstecktem Imperativ operieren. Die Wirkkraft war offensichtlich. Selbst Sauberfrau Weichselbraun plauderte plötzlich schlüpfrig von „Stangen, die poliert wurden“. Das ist der rechte Stoff für den Wilden Osten, wo nur das Grelle gilt. Ein Sieg in Baku ist möglich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2012)

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