Madonna, das ewige Alphamädchen

Madonna ewige Alphamaedchen
Madonna ewige Alphamaedchen(c) AP
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Madonna veröffentlichte „MDNA“, ihr zwölftes, gar nicht visionäres Album: Electro-Pop, Disco und Spurenelemente von Dubstep – zum Teil peppig, zum Teil fad.

Das mit dem Begehren ist kompliziert geworden. Seit der Erfindung des Minirocks Mitte der Sechzigerjahre dürfen die Herren schauen, müssen aber so tun, als täten sie es nicht. Seither ist das diskrete Starren in der Welt, das Schauen ohne Erblicken. Damen mit Sportsgeist, also auch Madonna, arbeiteten eifrig gegen diese neue männliche Vorsicht an. Das anfangs provokante Zeigen von Haut wurde bald zum banalen Breitensport. Das Wacheln mit nackten Teilen wurde zur verkaufsfördernden Strategie in Wirtschaftszweigen auch weit abseits des ältesten Gewerbes. Das Kokette verlor sich leider.

Schon an die 30 Jahre preist Madonna ihre Musik auf balzende Manier, inszeniert ihren in Fitnessfolterkammern gestählten Body auf oft schmerzhaft ordinäre Art. Dass sie mit 53 Jahren noch auf demselben Schmäh wie anno 1985 herumreitet, macht müde.

All das Fleisch in der Auslage

Die aufmerksamkeitsheischenden Gesten der angeblichen Queen of Pop stecken im Mädchenfach fest. Ein Zustand, der schön langsam absurde Dimensionen annimmt. Würden an ihr Falten, Besenreiser und Lesebrille sichtbar, entzündeten sich die Synapsen wohl eher, als durch all dies inflationär in die Auslage gestellte Fleisch.

Rätselhaft, warum in einer Welt, in der Männer längst nicht mehr das Monopol der Initiative bei der Partnersuche haben, angebliche Alphaweibchen wie Madonna immer noch darin aufgehen, mit passiven Mitteln männliches Verlangen zu provozieren und dann mit viel Pathos die Zurückweisung zu zelebrieren. Diese antiquierte Fixierung auf den eigenen Körper, dieses Schönsein zum Zweck der Machtausübung ist leider immer noch im Zentrum von Madonnas visuellen Strategien.

Privat mag sie zuweilen seufzen, dass sie „eine mittlerweile ermattete Königin“ sei. Beruflich will sie ewig Mädchen sein. Ein despotisches mitunter.

Mit kühlem Gestus domestiziert sie Konkurrentinnen durch Ignorieren (Lady Gaga), Todeskuss (Britney Spears) oder Einbindung in ihre kreativen Prozesse. Für letzteres hat sie sich diesmal M.I.A. und Nicky Minaj gekrallt. Die tamilische Rabaukin M.I.A. scheint aber bereits in Ungnade gefallen zu sein. Vielleicht hat ihr ausgestreckter Mittelfinger beim Superbowl-Auftritt bewirkt, dass der von ihr mitgestaltete, soulige „B'Day Song“ nur als Bonustrack erhältlich ist. Nicky Minaj dagegen verhielt sich so devot, wie es die Königin gebot. „There's only one queen, and that's Madonna“, piepst sie in der Auslaufrille von „Superstar“.

Selbst namhafte Produzenten sind meist nur Steigbügelhalter, an deren Ideen sich Madonnas eigene Kreativität entzündet. „I am not Prince or like a lot of artists, who can go in and play every instrument, and record a track“, sagt sie: „I need to hear what people think all the time. I like to have my road dog, my side kick.“ Für diese Rollen hat sie sich diesmal mit dem Franzosen Martin Solveig, dem Italiener Benny Benassi und dem Briten William Orbit gleich drei Herren ins Studio geholt. Schließlich herrscht bei ihr immer ein wenig Prophetiezwang, was Sounds anlangt. State of the Art ist ihr nicht genug. Sie möchte den Trends voranhecheln, was in den letzten Jahren oft genug schiefgegangen ist. Auch „MDNA“ bietet nichts Zukunftsweisendes. Die spacigen Sounds von William Orbit sind bereits familiär. Am grimmigsten klingt noch „Gang Bang“, ein böser Revanchesong: Peitschenschläge, Rennautofahrgeräusche, rüde Dubstep-Beats und eine Drohung an die Adresse des Ex-Lovers: „Now if you're gonna act like a bitch, you're gonna die like a bitch.“ Alles klar.

„I'm a sinner, I like it that way“

Enttäuschend sind „Turn On The Radio“ und „Give Me All Your Lovin'“, Arbeiten, die mit dem sonst so hippen Martin Solveig entstanden sind. Die fallen unters Verdikt Radiotauglichkeit abseits aller Utopie. Für den Clubgebrauch tauglich sind hingegen die bunt schillernden Stücke, die Madonna mit Benny Benassi kreiert hat. Die Haare wollte sie sich ausreißen beim ersten gemeinsamen Studiotermin, erzählte sie, und dann kamen doch so hübsche Electro-Pop-Stomper wie „Girl Gone Wild“ aus einer Zusammenarbeit, bei der Madonna imperialistisch aufs Terrain von David Guetta eindringt. „I feel sinnin'“ singt sie da. In einem anderen Song erklärt sie nüchtern, warum: „I'm a sinner, I like it that way.“

Man ahnt, dass sie ihre Tendenz zur Sünde in der strengen Erziehung von Tochter Lourdes exorziert. Mamamädchen gegen Tochtermädchen – das ist Krieg. Die arme Lourdes muss auch noch im Chor von „Superstar“ mitflöten, einem Lied wie einer Heiratsannonce, in dem sich Madonna richtig devot gibt: „You can have the password to my phone. I'll give you a massage when you get home.“ Altert Madonna von innen nach außen? Wird ihr das Gemüt vor der Haut mürbe?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2012)

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