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Warum das Konservatorium zur Universität wurde

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Ab dem Studienjahr 2013/14 gibt es in der Wiener Johannesgasse gleich drei verschiedene Möglichkeiten, den neuen Magister-Titel zu erwerben – das Haus wird „interdisziplinär“.

„Wir bilden keine Wissenschaftler aus, sondern Künstler“, sagt Ranko Markovic, der künstlerische Leiter des Wiener Konservatoriums, das seit einiger Zeit zur Privatuniversität geworden ist und nun offensiv sein neues Profil zeigt. „Aus Genies werden Teamplayer“, lautet das Motto, unter dem die Master-Studiengänge im Hause auf den neuesten Stand gebracht werden. Eine „Totalreform“, meint auch Gottfried Eisl, kaufmännischer Leiter des Instituts, die das „Ende der Einzelhaft“ für die Musiker mit sich bringen soll.

Werbewirksame Worte. Doch hält Markovic die klassische Musikerausbildung für nicht mehr zeitgemäß und ineffektiv. „Die Zeiten ändern sich. Es hat keinen Sinn mehr, wenn an einem Haus, sagen wir das einmal ganz brutal, Mitglieder eines berühmten Orchesters dafür sorgen, dass dieses Orchester genügend Nachwuchs bekommt.“

Ein Musiker im 21. Jahrhundert müsse, „wenn er im internationalen Musikbusiness mitkonzertieren möchte, anderen Anforderungen genügen“ als nur dem Anspruch, ein Instrument möglichst virtuos zu beherrschen. Zum Handwerk gehöre es heute, „über den Tellerrand hinausblicken zu können und künstlerisch umfassend gebildet zu sein. Sonst droht die heimische Musikerausbildung ins Hintertreffen zu geraten“.

„Interdisziplinarität“ stünde daher, so die beiden Uni-Chefs, „im Mittelpunkt von Forschung und Lehre“ an ihrem Haus. Absolventen des Konservatoriums sind also hinfort nicht mehr nur exzellente Klarinettisten, Geiger oder Pianisten, Sänger oder Dirigenten, sondern verfügen zumindest über einen Bachelor-Titel, mit dem das achtsemestrige Grundstudium abschließt.

Das Ende der alten „Meisterklasse“

Die Einführung dieses Prinzips im Sinne der Bologna-Richtlinien der EU mit Umwidmung des Konservatoriums in eine Universität war ein „offenkundiger Erfolg“, so Ranko Markovic: Absolventen des Hauses „finden in steigendem Maße Beschäftigung, sind international nicht nur solistisch, sondern auch in Orchestern, Opern-Ensembles und Ballet-Compagnien engagiert“. Nicht zu vergessen Engagements in der Filmbranche oder als Lehrer, je nach Studienlehrgang.

Ein Drittel der Studenten des Instituts strebt im Gefolge des Bakkalaureats den Magistertitel an, der mittlerweile „Master“ heißt und nach einer weiteren Vertiefung der Studien – in der Regel vier zusätzliche Semester – erreicht wird. Hier geht man nun mit Beginn des kommenden Studienjahrs im Konservatorium endgültig vom alten Meisterklassenprinzip ab und setzt auf offene Strukturen, die Raum für spartenübergreifende Experimente und Forschungen zulassen sollen. Die Absolventen erhalten einen Master of Arts in Performance (im weitesten Sinne also ein Grad für ausübende Musiker), einen Master of Arts in Education (für Lehrende) oder einen Master of Arts in Social Design für alle, die sich, so die Definition, „der gesellschaftlich relevanten, künstlerischen Forschung“ widmen möchten. Für letztere ist das für die ausübenden Musiker zentrale, praktische Musikstudium am Haus „optional“.

Was die Ausbildung am Konservatorium kann, beweist der seit 2001 abgehaltene „Fidelio“-Wettbewerb: „Der ist in dieser Form einzigartig“, sagt Markovic, „denn wir haben seit vier Jahren bei diesem Wettbewerb eine Kreativsparte eingerichtet, die den Namen Kreation/Laboratorium/Werkstatt trägt.“ Die Kandidaten fänden eine Plattform vor, „sich ungezwungen untereinander zu vernetzen und neue künstlerische Zugänge zu erproben“, interdisziplinär, versteht sich, zwischen den Abteilungen des Hauses vermittelnd.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2012)

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