Snoop Dogg: Eine endlose Party von 50 Minuten

KONZERT ´SNOPP DOGG,ZUGEZOGEN MASKULIN & GUESTS´
KONZERT ´SNOPP DOGG,ZUGEZOGEN MASKULIN & GUESTS´(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
  • Drucken

Es ist nicht schwer, nach einem Deutsch-Rap-Vorprogramm cool zu wirken. Snoop Dogg war es sowieso. Lässig klapperte er in der Wiener Arena unzählige Hits ab.

Es gibt kaum Nervenderes als deutschen Hip-Hop. Egal ob es sich bei den Rappern um Trademark-Piefke oder um Zugereiste aus dem Orient handelt, die am deutschen Wesen genesen wollen. Deutschrap ist spießig, wenn er locker sein will, platt, wenn er sich in poetische Pose begibt. Einzig deutscher Country dürfte die noch effizientere Foltermethode sein. So dominierten beim Vorprogramm in der Arena gequälte Gesichter: Zugezogen Maskulin und Motrip versuchten, mit inflationären „Wien!“-Rufen in die Kammer der geheimen patriotischen Gefühle einzudringen. Aber so etwas braucht der Wiener gemeinhin nicht. Er befreit sich lieber mit Schmäh aus dem dunklen Erdäpfelsack des Kollektivs.

Da mochte der Aachener Libanese Motrip noch so keppelnd Anweisungen wie „Jetzt gehen die Peace-Zeichen hoch!“ geben. Penetrant wie ein Fitnesstrainer hat er wieder und wieder verlangt, dass alle Hände hoch gehen mögen. Welch Elend! Das war um nichts besser als das, was den Leuten im Musikantenstadl an „Begeisterung“ abgerungen wird.

Im Vergleich zu diesen charismabefreiten Performances wirkte der 44-jährige Snoop Dogg, als er endlich auf die Bühne schlurfte, wie eine Erlöserfigur. Im Hintergrund blinkte sein überlebensgroßes, von Marihuanapflanzen umranktes Antlitz. Später dann nur mehr jenes gezackte Blatt, das die liebste Dröhnung symbolisiert. Seit Frank Sinatra hat kein amerikanischer Vokalist mehr den Rauch derart innig in seine Kunst integriert. Sinatra hat die Filterzigarette überhöht, Snoop Dogg wirbt für den fetten Spliff. Er ist Teil des Bühnenbilds, sorgt für Höhepunkte in Mimik und Gestik, vor allem aber ist er Kraftstoff für Snoop Doggs comicartige Visionen eines geglückten Lebens im bildungsfernen Ghetto.

Zu den Wundern des US-Showbusiness zählen von jeher Verwandlungen: Reduziertes kann da unter Umständen von den kaufenden Massen in den Stand des Heiligen gesetzt werden. Der recht einfach gestrickte Snoop Dogg stand schon als junger Mann knapp vor dem sozialen Aus. Dr. Dre, der als Erfinder des hedonistischen Westcoast-Hip-Hops gilt, nahm ihn unter seine Fittiche, machte aus dem Nachwuchsgangster einen Gangsterdarsteller. Snoop Dogg durfte 1992 bei Dr. Dres Debütalbum „The Chronic“ mitmachen. Einen Song daraus, das auf einem charmant zögerlichen Groove von Soulsänger Leon Haywood basierende „Nuthin' But a ,G‘ Thang“, brachte Snoop Dogg auch an diesem Abend. Die eine gefährliche Gegend namens Compton idealisierenden Reime schnurrte er mit großer Lässigkeit in sein mit Glitzerapplikationen aufgepimptes Mikro. Dazu gesellten sich diese kleinen, gefährlichen Moves, irgendwo zwischen Boxtraining und imaginiertem Paartanz. Sie machen den hoch aufgeschossenen Rapper sexy. Seit seinem Debüt von 1993 hat er sich im Showgeschäft behaupten können. Während Kollegen wie Tupac Shakur und Biggie Smalls früh starben, schraubte er sich karikaturenhaft an den Showbiz-Himmel. So war es recht und billig, dass er seiner alten Freunde gedachte. Zunächst schob er mit Biggie Smalls' explosivem „Hypnotize“ mächtig an, dann tauchte er 2 Pacs „2 of Amerikaz Most Wanted“ in neue, zartere Klangfarben.

Stücke von 50 Cent und Katy Perry

Begleitet von einem Bassisten, einem Keyboarder und einem famosen Drummer marschierte Snoop Dogg durch einen Dschungel aus Hits: eigenen wie „Drop it Like it's Hot“ und „Who Am I (What's My Name)“ und annektierten wie 50 Cents „P.I.M.P.“, House of Pains „Jump Around“ und Katy Perrys „California Gurls“. Mit dem anzüglichen „Peaches 'n' Cream“ streifte er sein neues, von Pharrell Williams elegant produziertes Album „Bush“ leider nur ein einziges Mal. „Ain't no party like a Snoop Dogg party, cause it doesn't end“, rappte er frohgemut und endete dann doch schon nach 50 Minuten. Zum Ausklang erschallte Bob Marleys „Jamming“. Snoop Dogg nahm noch kurz die Brille ab. Mit roten Augen scannte er die ersten Reihen nach hübschen Mädels ab. Ein stoischer Mitarbeiter holte diese backstage. Wir ahnen schon: Ausschweifung kann härter sein als Arbeit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.