Rosenstolz: Die Extreme des Wienerlieds

Thomas Gansch ist seit Jahren ein gern gesehener Gast im Theater am Spittelberg.
Thomas Gansch ist seit Jahren ein gern gesehener Gast im Theater am Spittelberg.Die Presse
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Das Festival Wien im Rosenstolz wird 15. Zur Jubiläumsausgabe gibt es unter anderem ein Wiederhören mit Trompeter Thomas Gansch.

Vor fünfzehn Jahren, als das Festival Wien Im Rosenstolz in der wunderschönen Vorstadtrestauration Schmid Hansl seinen Ausgang nahm, hätte kaum jemand gedacht, dass sich die Wiener Szene so prächtig entwickeln würde. Das seit einigen Jahren von Nuschin Vossoughi kuratierte Musikspektakel, das von jeher das ganze Spektrum zwischen klassischer, kritischer und kabarettistischer Wiener Musik in Augenschein nahm, hat mit dem Theater am Spittelberg eine neue Heimstätte gefunden.

Trompeter Thomas Gansch ist seit vielen Jahren gern gesehener Stammgast auf dieser Bühne. Bekannt und berüchtigt als Anarchist zwischen Jazz und Schlager, Klassik und Filmmusik, hat er trotz seiner niederösterreichischen Herkunft ein gutes Gefühl für die hiesige Klangbildung entwickelt. Der aus Melk gebürtige Gansch hat schon in seinen frühen Wiener Jahren Fühlung zur Wiener Szene aufgenommen. Natürlich am legendären Musikerstammtisch des Wirtshauses Mnozil, das bald als Namenspate für Ganschs Mnozil Brass fungieren durfte.

Stets existenzielle Themen

„Mein erster Kontakt war der Rudolf Pietsch, der dort zuweilen mit seinen berühmten Tanzgeigern gespielt hat“, sagt er. „Nicht viel später hat mich Leonhard Paul, ein Kollege von Mnozil Brass, ins Café Kalvarienberg mitgenommen, wo der legendäre Kurt Girk gesungen hat. Und die Trude Mally hab ich auch kennengelernt.“ Gansch verfügt über das nötige Sensorium, das die Extreme des Wienerlieds, das ja stets zwischen batzweichen und schroffen Zuständen pendelt, intuitiv erfasst. „Was mir an der Wiener Musik besonders gefällt? Das ist der Soul, das sind die Harmonien der Wiener Musik. Und natürlich die existenziellen Themen, um die es darin stets geht. Bekanntermaßen gibt es besonders viele Lieder zum Sterben. Das mag ich, besonders wenn ein gewisser Sarkasmus durchdringt.“

Lachen tut Gansch überhaupt gerne. Vor allem auf der Bühne. Was nicht jedem gefällt. Kein Freund von Ganschs Scherzen, die er besonders wild mit dem Bassisten Georg Breinschmid zelebriert, ist etwa der gestrenge „Falter“-Kritiker Klaus Nüchtern. Gansch nimmt es achselzuckend zur Kenntnis: „Humor ist in der Musik nicht zwingend, aber schaden kann er auch nicht. Was ich nicht mag, sind Musiker, die sich wahnsinnig ernst nehmen. Selbstreferenzielle Avantgarde ist nichts für mich.“

Die Klassik war es letztlich auch nicht, die er zunächst studierte. Sein viel älterer Bruder Hans, ein virtuoser Trompeter, hatte hier seine Claims abgesteckt. Warum hat er überhaupt Trompete gelernt, wenn es in der Familie schon eine Kapazität auf dem Instrument gab? „Die Freiheit, das selbst zu entscheiden, hatte ich nie. Von klein auf hieß es immer, der Thomas wird noch besser als der Hans. Man maß mich immer an meinem Bruder, das musste einfach in die Hose gehen.“ Weil jeder Nachteil einen geheimen Vorteil birgt, fand Thomas Gansch seinen ganz eigenen Zugang zur Trompetenmusik. „Mit zwölf Jahren hab ich Dizzy Gillespie im Fernsehen gesehen und sofort gewusst, das will ich machen. Jazz mit einem gewissen Showbusinessfaktor. Irgendwann war ich zwar Universität-Drop-out, aber ich hab das nie bereut. Denn innerhalb eines halben Jahres war ich dann nicht mehr der Bruder vom Hans, sondern der Thomas Gansch.“

Mit dem Blechbläserensemble Mnozil Brass spielt er alles von Schlager über Jazz bis zur Trompete und zur ländlichen Blasmusik. Und mit seiner heuer ebenfalls das 15-Jahre-Jubiläum feiernden Kombo Gansch & Roses offeriert er ebenfalls krude Stilmixe. Am 17. November feiert er dieses Ensemble im Wiener Konzerthaus gemeinsam mit amerikanischen Stargästen wie Chuck Findley, einem Musiker, der mit allen von Miles Davis bis Michael Jackson Aufnahmen gemacht hat. Gansch, längst Inbegriff für Groove, Melodie und nicht zu wenig Schmäh, hat für Wien im Rosenstolz einen bunten Mix vorbereitet. „Anton Karas und James Bond, Joe Zawinul und den Erzherzog-Johann-Jodler. Das Publikum hungert geradezu nach etwas Echtem.“

AUF EINEN BLICK

Termine. Das Festival Wien im Rosenstolz dauert bis 31. Oktober. Gansch & Friends spielen am Sonntag, 4. Oktober, um 19.30 Uhr im Theater am Spittelberg. Weitere Stars des Festivals sind Ernst Molden und Der Nino aus Wien (von 7. Oktober. bis 12.Oktober.). Das Kollegium Kalksburg hat seinen Auftritt am 8. Oktober, Erika Pluhar am 16. Oktober, Wolfgang Ambros Unplugged am 25. Oktober, das Trio Lepschi am 31. Oktober. Tickets und Infos im Web.

Web:www.rosenstolz.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2015)

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