Austropop? Ja, weil es auf die Sprache ankommt

Wanda
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Es ist kein Zufall, dass große neue Bands wie Wanda und Bilderbuch Deutsch – respektive Österreichisch – singen.

Amore: „Alles, was diese Band ausmacht, steckt in diesem kleinen Wort mit den weichen, rollenden Vokalen“, schrieb die „Welt“ über die Wiener Band Wanda. „Ganz wunderbar passt es zum Wiener Tonfall, der ein Dutzend Nuancen kennt zwischen Ruppigkeit und Zartgefühl, und der manchmal sogar alles zugleich sein kann.“

In einer anderen der Elogen auf neuen österreichischen Pop, wie sie das deutsche Feuilleton derzeit schüppelweise veröffentlicht (und dabei erstaunlich viel lobenswertes Verständnis für das Wesen des Schmähs zeigt), pries die „Welt“ das neue Album der oberösterreichischen Band Bilderbuch u.a. dafür, dass sie „nebenbei das Wort ,Plafond‘ (für Zimmerdecke) in die deutschsprachige Popmusik einführt“.

Recht haben sie, die deutschen Kollegen. (Und sie machen einem Hoffnung darauf, dass ihre Austrophilie sie bald auch dazu bringt, den Kaffee auf der zweiten Silbe zu betonen.) Der Ton macht die Musik, und das heißt im Pop immer auch: der Tonfall der Worte. Was wären die Beatles ohne ihren Liverpooler Akzent gewesen? R.E.M. ohne ihr südstaatliches Maulen? Und was Wolfgang Ambros ohne sein zartes Meidlinger L, dem man freilich immer anhörte, dass er in Pressbaum aufgewachsen war, aber seine Lehrjahre beim Wiener Theseustempel verbracht hatte? Wir könnten jetzt noch darüber grübeln, ob und wie man aus den Liedern Georg Danzers seine Gaudenzdorfer Jugend hört oder wie viel Fürstenfeld in den Vokalen von S.T.S. steckt, aber es ist offensichtlich: Wir sind schon mitten im alten Austropop, und das ist recht so.

Scheibbs statt Nebraska. Nicht weil alles, was einst unter diesem Namen verkauft wurde, diesseits der Grenze zur Peinlichkeit war oder, wie Fendrichs programmatisches „I Am from Austria“, ein paar Gspritzte braucht, um das Schmalz zu verdünnen. Aber weil die Grundhaltung richtig war: Pop kann und darf lokalen Charakter haben. Ja, er soll. Scheibbs ist uns näher als Nebraska, Laa an der Thaya näher als L.A., Hadersdorf-Weidlingau näher als Hawaii. Die britischen Bands der frühen Sechziger haben den amerikanischen Rock'n'Roll in ihr Milieu übertragen – oder hätte Ray Davies lieber über einen „Bronx Sunset“ als über den „Waterloo Sunset“ singen sollen, Paul McCartney über die Tenth Avenue statt über die Penny Lane? –, die Austropopper haben seit den frühen Siebzigern den angloamerikanischen Pop ins Österreichische übersetzt. Nicht zu Unrecht gelten die Dylan-Übersetzungen von Wolfgang Ambros („Wie im Schlaf“, 1978) als Sternstunde des Austropop, und einen Gutteil seines Erfolgs verdankte der Ostbahn-Kurti dem Genie von Texter Günter Brödl, der das suburbane Amerika nach Kagran und Rodaun, ins Gänsehäufel und zum Praterstern verpflanzte. Ernst Molden (siehe oben) ist sein Meisterschüler.

Und nein, das geht nicht auf Englisch – bestenfalls in einem englisch-deutschen Mischmasch, wie es Helmut Qualtinger 1956 im „Bundesbahn Blues“ vorführte: „Is she in Scheibbs, in Lunz, in Ybbs, in Schrunz?“ Denglisch ist völlig okay, Falco hat es blühen lassen, Ja, Panik sind ihm genauso gefolgt wie jetzt Bilderbuch, wenn sie „Stress“ auf „less“ reimen oder konstatieren: „Wir leben high, nie down.“

Trotzdem ist man kein Sprachchauvinist, wenn man behauptet: Alle heimische Popmusik, die von Bestand war und ist, hatte und hat deutsche – respektive österreichische – Texte. Im klassischen Austropop sowieso, genauso in der zweiten Blütezeit, in der Neuen Welle: Blümchen Blau und Chuzpe, Minisex und Westblock wären auf Englisch nie so gut gewesen. Der Grant von Kreisky (der Band, aber auch des Kanzlers) würde auf Englisch genauso wenig funktionieren wie die subtile Aufsässigkeit von Gustav; sogar von Soap& Skin sind die stärksten Lieder (z.B. „Vater“) auf Deutsch.

„Live Is Life“ von Opus gilt nicht, das entfaltete erst in der deutschen Parodie der slowenischen Band Laibach sein volles Potenzial. Ohne Schmäh.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2015)

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