"Ja, Panik": Katerstimmung nach Zitat-Rausch

Die Wiener Formation Ja, Panik
Die Wiener Formation Ja, Panik © Julia Spitzner
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"The Angst and the Money" ist das dritte Album der heimischen Rockband Ja, Panik. Sänger Andreas Spechtl spricht im "Presse"-Interview über die neue Platte, Falco und die authentische Künstlichkeit des Quintetts.

Einigen Lorbeer schon hat die Wiener Gruppe Ja, Panik in Deutschland geerntet. Das in Berlin ansässige Musikmagazin "Spex" kürte ihren Zweitling "The Taste and the Money" zum drittbesten Album 2008, mancherorts war sogar von einer "Wiener Schule" - in Referenz auf die "Hamburger Schule" - die Rede. Das Erfolgsrezept der fünf Mittzwanziger: Mit ihren aus Zitaten zusammengesetzten Texten, der gewitzten Selbstinszenierung sowie dem provokanten und hintergründigen Humor schaffen sie viel Raum für Interpretationen, um dann teilweise doch nur verwirrte Gesichter zurückzulassen. Am 25. September veröffentlicht die Gruppe ihr neues Werk "The Angst and the Money" (Schönwetter Schallplatten).

"Die Presse":Auf "The Angst and The Money" enthalten fast alle Lieder auch englische Parts. Wieso hat die Band Ja, Panik, die jahrelang in ihrer Muttersprache gesungen hat, plötzlich das Englische für sich entdeckt?

Andres Spechtl: Englische Teile hatten wir auch schon beim Vorgängeralbum, aber eben nicht so ausgeprägt. Der Hauptunterschied ist, dass das Englische früher ghettoisiert war, vom Rest streng getrennt, vielleicht nur ein Refrain oder eine Zeile. Diesmal ist es ein flüssiges Durcheinander geworden. Es gibt Sätze, die fangen auf Deutsch an und hören auf Englisch auf. Das hat sich irgendwie ergeben, weil ich mich noch immer nicht ganz entscheiden konnte, ob ich auf Deutsch oder Englisch singen soll. Aber wir haben auch erkannt, dass diese Switches die Gruppe Ja, Panik ausmachen und deshalb forciert.

Sind die englischen Textzeilen auch dazu da, um Probleme, die das sperrige und oft schwer zu singende Deutsch hervorruft, zu kaschieren?

Spechtl: Ja, sicher. Wenn man in ein deutsches Lied eine englische Zeile einfügt, dann merkt man gleich, wie der Text vorher und nachher dagegen absackt. Es ist also ein ziemlicher Anspruch, diese Ungleichheiten abzustimmen. Insofern profitieren die deutschen Parts von den englischen, weil man sich dann noch intensiver darum kümmern muss. Es besteht viel mehr die Gefahr, dass der deutsche Text flach und lasch wirkt. Im Endeffekt tut der Wechsel also beidem gut, genauso wie dem Flow.

Und, dass Ja, Panik irgendwann einmal nur mehr auf Englisch singt?

Spechtl: Nein, glaub ich nicht. Außer wir machen uns einen Spaß und singen langsam Platte für Platte immer mehr auf Englisch, bis niemand mehr merkt, dass wir gar nicht mehr auf Deutsch singen. (lacht)

Im Vorgängeralbum "The Taste and the Money" wurden die Texte teilweise aus Satzfetzen aus Literatur, Filmen etc. zusammengestöpselt. Wie viel wird diesmal zitiert?

Spechtl: Ich muss zuerst korrigierend einwerfen: Die Zitate stammen nicht nur aus Literatur oder Filmen. Es ist immer alles, ich kann immer alles gebrauchen. Es kann natürlich schon ein Werk der Weltliteratur sein, aber auch etwas, das die Wurstverkäuferin sagt, oder ich auf Radio Wien höre. Wenn es schön ist, ist mir ganz gleich, woher es kommt. Nur, man kann ja nur erkennen, was man schon kennt. Es würde niemand ein Zitat ausmachen, wenn ich etwas aus der Alltagssprache verwende.

Auch bei "The Angst and the Money" gibt es Quellen. Der Hauptunterschied zum Vorgänger ist aber, dass wir die Zitat-Methode auch aufs Komponieren übertragen haben. Das heißt, wir haben Akkordfolgen, Strophen, einzelne Teile usw. einfach so gespielt, wie sie rauskommen, für gut empfunden und aufgenommen. Am Computer haben wir dann katalogisiert - zum Beispiel nach C-Dur und Beats - und zusammengeschoben. Es ist eigentlich kein Beat auf der Platte so entstanden, wie man sich das vorstellt. Es war ein Hin und Her zwischen Computer und Proberaum, zwischen digital und analog.

Gibt es auf "The Angst and the Money" auch wieder ein Lied, dessen Text hauptsächlich aus fremden Zeilen zusammengefügt wurde, wie zum Beispiel bei "Roadmovie to ..." des vorigen Albums?

Spechtl: Ja, auch wenn diese Methode bei der zweiten Platte am stärksten ausgeprägt war. Streng angewandt ist sie diesmal nur bei dem Lied "Ja, es stimmt". Da habe ich das Doppelalbum "Blonde on Blonde" von Bob Dylan von vorne bis hinten durchgehört und das, was ich verstehe - oft auch nur phonetisch, weil der Dylan nuschelt ja genauso wie ich - herausgeschrieben und gleich übersetzt. In diesem Fundus habe ich dann herumgestrichen, einzelne Teile zusammengeschoben und wieder von einander getrennt. Davon merkt man beim Lied selbst aber nichts mehr. Der Ansatz ist also ähnlich dem von "Roadmovie to ...", wo ich Sätze aus Mafiafilmen verwendet habe.

Wieso "versteckt" sich Ja, Panik so gerne hinter fremden Textzeilen?

Spechtl: Ach, verstecken ist etwas ganz anderes. Ich würde sagen, es ist immer noch ein großer Teil Eigenes dabei. Es ist einfach auch die Freude daran, etwas Schönes zu hören und irgendwie auch eine Sammelleidenschaft. Manche Sachen, die man verwendet, sind einfach so gut, dass man sie nicht verwurschteln möchte. Das würde ja die Qualität mindern. Deswegen hoffe ich, so alles zu verdichten. Eben das Beste, das man aus sich selbst herausholt und dann noch das andere.
Andererseits ist es manchmal auch einfach ein Spiel, ein humoriges Versteckspiel.
Dann denke ich mir, jemand der es kennt, freut sich vielleicht; da hat sich wer dem angenommen. Es ist also bestimmt auch etwas nerdiges dabei.

Albumcover
Albumcover "The Taste and The Money"(c) Schönwetter / Franz Aman

Wie viel Aussage hat ein Text, wenn er quasi wie ein Fleckerlteppich zusammengefügt wird?

Spechtl: Viel oder wenig, weil man auch mit Fremdem etwas aussagen kann. In unserem Beispiel sogar sehr viel, manchmal auch weniger. Grundsätzlich lässt sich also schon etwas erkennen oder eine Bedeutung finden, weil es ja eine Geschichte ist bzw. für etwas steht. Was aber natürlich nicht mehr geht, ist zu sagen, es ist aus dir, aus deinem Leiden heraus. Das funktioniert nicht, weil es steht ziemlich steif für sich und eben nicht autobiografisch. Der Hörer kann also nicht sagen, der Spechtl erzählt mir was aus seinem Leben. Er kann aber sehr wohl sagen, der Spechtl will mir vielleicht etwas sagen.
Aber, oft ist der Inhalt auch egal. Meistens geht es um Formulierungen, um schöne Wörter oder um etwas, das uns reizt.

Im letzten Album gab's eine Reminiszenz an Falco - wie einflussreich war er diesmal?

Spechtl: Ich bin kein dezidierter Falco-Fan und finde seine Musik oft gar nicht so super. Aber was mir an ihm gefällt ist einerseits das künstliche, dieses übers-Ziel-hinaus-schießen, und andererseits, wie er unterschiedliche Sprachstile vermischt. Falco hat ja drei verschiedene Sprachen: Er singt auf Hochdeutsch, dann streut er irgendein Mundart-Strizzi-Ding darüber und dann kommt auf einmal etwas Englisches. Das funktioniert sehr gut und das fasziniert mich. Die Form, wie er mit Sprache umgeht, spielt also auf jeden Fall eine große Rolle.

Ist er auch indirekt in den Texten versteckt?

Spechtl: Bei der Single "Alles hin, hin, hin" könnte man sagen, das ist aus Falcos „Ganz Wien". Man könnte aber auch sagen, dass es aus "Oh du lieber Augustin" stammt. Es ist also nicht ganz klar, was aber auch nicht wichtig ist.

Und wie künstlich ist Ja, Panik?

Spechtl: Ja, Panik ist in gewisser Weise sehr künstlich, weil schrecklich überdreht und überzogen. Aber weil wir recht künstliche Menschen sind, ist die Künstlichkeit der Gruppe Ja, Panik wieder sehr authentisch. Vor allem der seltsame Humor, der eine große Komponente darstellt, greift auf unser Leben über. Ich finde, das Humorigste liegt auch in den Dingen, die nicht nahe liegend sind, sondern eher ein bisschen weird.

Wie sind die Lieder für "The Angst and The Money" entstanden, was diente als Inspiration?

Spechtl: Wenn "The Taste and the Money" die Rausch- und Exzess-Platte war, so ist "The Angst and the Money" ein bisschen die Kater-Platte danach. Das Aufwachen in der Früh, das Darüber-Nachdenken was in der Nacht alles passiert ist. So, wie wenn man noch Kopfweh hat, alles verflucht und sagt, das mach ich nie wieder. Sich denkt, ich fang noch mal von vorne an.

Inwiefern haben sich die Wirtschaftskrise und die vielen Berichte darüber auf den Inhalt ausgewirkt?

Spechtl: Gar nicht so stark, das ist uns eher passiert. Die Platte handelt zwar schon von einer Krise, aber von einer viel allgemeineren. Einer, die schon viel länger andauert. Mit dieser kleinen, mickrigen Krise gebe ich mich gar nicht ab. Da gibt's schon viel länger, viel ärgere Krisen und wir sind sowieso schon seit 15 in der Krise - ich zumindest.

Während das vorige Album von der Band selbst zuhause aufgenommen wurde, hat "The Angst and the Money" Moses Schneider (Tocotronic, Beatsteacks) produziert, der auch schon mit Tocotronic und den Beatsteaks zusammenarbeitete. Wie war die Arbeit mit ihm?

Spechtl: Ganz einfach. Moses hat viel Ruhe in die Band gebracht und sich bei den Arrangements nur wenig eingemischt. Wir haben die Lieder live in einem Raum aufgenommen und Moses war ein bisschen der Dirigent. Er ist sehr sensibel und das hat er uns auch beigebracht, weil wir oft schon ziemlich grob waren. Im Grunde hat er erkannt, was wir eigentlich machen wollen, bei uns aber nicht funktioniert.

Ja, Panik kommt ursprünglich aus dem Burgendland. Nach einigen Jahren in Wien ist die Band jetzt gerade dabei, nach Berlin zu übersiedeln. Kann man sagen, dass die Gruppe eine neue Ebene erreicht hat?

Spechtl: Ja, es herrscht Aufbruchstimmung bei uns. Und nachdem wir keine Wiener sind, liegt uns auch nicht allzu viel an der Hauptstadt. Es war aber weniger eine Entscheidung für Berlin, sondern eher fürs Wegziehen. Nur, wir bewegen uns im deutschsprachigen Raum; Hamburg und München wären zu teuer und die Schweizer würden uns sowieso nicht nehmen. Da bleibt dann nicht mehr viel übrig.

Verspricht sich die Band etwas von dem Umzug?

Spechtl: Nein, außer, dass sich das Bandleben einfacher gestaltet. Wir sind die letzten eineinhalb Jahre viel in Deutschland aufgetreten und da ist der Weg von Wien schon sehr weit. Zum Beispiel, wir spielen einen Abend in Leipzig: Da fährt man von Wien stundenlang und am nächsten Tag das Gleiche wieder retour. Ich will gar nicht wissen, wie viel Zeit wir schon in unserem Bus verbracht haben. Außerdem haben wir unser Label und die Agentur in Berlin.

Wird Ja, Panik trotz des neuen Wohnortes eine österreichische Band bleiben - also in Bezug auf Sprache, Stil etc.?

Spechtl: Wir hatten immer den Anspruch, hochdeutsch zu singen und das gelingt uns auch immer besser. Für die Deutschen bzw. Berliner sind wir aber sowieso eine durch und durch österreichische Band. Teilweise sind es die kleinsten Formulierungen und Wörter, die mir gar nicht auffallen, für sie aber ur-österreichisch sind. Zum Beispiel die Formulierungen "Das geht sich nicht aus" oder "Alles hin, hin, hin".

Aber ist es so, dass Ja, Panik in Deutschland besser ankommt als in Österreich?

Spechtl: Ich würde sagen, mit dem Maß, mit dem es in Deutschland zunimmt, nimmt es auch hier zu. Trotzdem ist noch immer eine Hörigkeit der Österreicher gegenüber den Deutschen zu spüren. Das hat man vor allem gemerkt als Ja, Panik in Deutschland Anklang fand und der dann auch nach Österreich hinüberschwappte. Da wurden wir auf einmal ganz anders wahrgenommen. In Deutschland war es von Anfang an ein respektvoller und ernsthafter Umgang mit uns. Das müssen die Österreicher noch lernen - was zwar ein einziges Klischee, aber eben wirklich so ist.

("Die Presse", Printausgabe, 25.9. 2009)

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