„Vintage Vienna“: Der Optimismus swingt

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„Vintage Vienna“: ein seliger Blick in die Dreißigerjahre.

„Swing Edition“: eine CD der Nostalgieinitiative „Vintage Vienna“.
„Swing Edition“: eine CD der Nostalgieinitiative „Vintage Vienna“.(c) Beigestellt

Eine Vergangenheit zu glorifizieren, die es vielleicht gar nicht gegeben hat, das liegt dem Wiener. Dieser hat ja infolge exzessiver Zukunftsangstlust schon Probleme damit, die Gegenwart als solche wahrzunehmen. Wohl auch deshalb wurde „Vintage Vienna“, eine Internetinitiative, bei der man alte Fotos (in diesem Fall: Photos) unentgeltlich schicken durfte, zu einem Riesenerfolg. Zuerst im Netz, dann in Form eines Bildbands. Jetzt folgt eine gleichnamige CD, die von der Lebensfreude längst Verblichener kündet. Der Jazz, insbesondere der Swing, eignet sich ja perfekt als Soundtrack für reuelosen Hedonismus. Nur zu gern lässt sich der heutige, von Hightech oft ermattete Mensch von forschen Trompeten und quietschigen Saxofonen an die Leine nehmen und in die Dreißigerjahre locken. Dass auf diesem fidelen Album neben Standards von Granden wie Cab Calloway, Count Basie und Ella Fitzgerald (oben im Bild) auch musikalische Juwelen aus dem deutschen Sprachraum feil werden mussten, lag auf der Hand. Etwa das pfiffige „Halloh, Halloh, ich suche eine Frau!“ vom deutschen Orchesterleiter Kurt Widmann. Der gelernte Schlagwerker und Akkordeonist spielte seinen Swingjazz trotz zahlreicher Verwarnungen wacker bis 1942 im Berliner Haus Vaterland. Ein anderes Highlight ist hier sein famoses „Optimismus ist die beste Medizin“. Und recht hatte er mit dieser Einstellung. Das Kriegsende quittierte er mit dem legendären Satz: „Nun hat doch die entartete Musik gesiegt!“ Weiters japsen die Comedian Harmonists von den Schönheiten des einfachen Lebens, lobt Willy Fritsch, bekannt als vitaler Interpret von Friedrich-Hollaender-Kompositionen, in „Ein Freund, ein guter Freund“ die alles umwälzende Kraft gegenseitiger Sympathie. Auch der spätere Schlagersänger Horst Winter darf hier ungestüm jazzen: Er interpretiert erstaunlich locker den Theo-Mackeben-Titel „Ich mache alles mit Musik“.


Operette und Filmschlager. Zu einer Wiener Verklärung der Vergangenheit gehört auf jeden Fall eine Prise Operette. Der legendäre Joseph Schmidt erhellt das Düsterlicht, in dem die Dreißigerjahre zu oft gesehen werden. Sein Filmschlager „Heute ist der schönste Tag in meinem Leben“ beweist, dass man auch in schwierigen Zeiten fidel sein kann. Aus diesem Grund darf auch der alte Lebemann und Geldrausschmeißer Richard Tauber hier nicht fehlen. Er schmettert seinen wohl größten Hit, Léhars „Dein ist mein ganzes Herz“, der später auch vom Souljazzer Les McCann am E-Piano trefflich gecovert wurde.  (Amadeo/Universal)

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