Herzerwärmender Folkrock von First Aid Kit.
Menschenleere Prärie, unendlich blauer Himmel: Die Streicher und der sanft galoppierende Rhythmus, mit denen First Aid Kit ihr drittes Album „Stay Gold“ eröffnen, beschwören ewige Americana-Bilder. „I don’t want to wait anymore, I’m tired of looking for answers“, hebt der Song „My Silver Lining“ an, kurz bevor Johanna und Klara Söderberg ihre Stimmen zu jenem Harmoniegesang verschmelzen, der sie zu Lieblingen des Indie-Folks machte. Nicht nur dieser Song handelt von Aufbruch und Veränderung, von der Suche nach Neuem und Angst vor Verlusten. „I won’t take the easy road“, schwören sie im Refrain. Und wirken trotz mancher Zweifel unerschütterlich. Die Schwedinnen klingen selbst dann lebensbejahend, wenn sie dunkle Themen durchwandern oder von gebrochenen Herzen erzählen. Im besten Fall glüht ihre Musik – dank der ungebrochenen Schönheit dieser jungen Stimmen. Dass sich die Schwestern, beide Anfang 20, Country und Folk einst in einem Akt der Rebellion zuwandten, wirkt ein wenig paradox, ist aber familiär begründet. „Du willst nicht die gleiche Musik wie deine Eltern hören“, erzählte Johanna Söderberg der „New York Times“. Keine Nirvana, Pixies oder Talking Heads also. Als Teenager fanden sie im Netz lieber ihr eigenes Bezugssystem von Emmylou Harris (der sie auf dem Vorgängeralbum einen Song widmeten) über Joan Baez bis zu aktuellen Künstlern wie Conor Oberst oder Fleet Foxes. An Country schätzten First Aid Kit das Einfache, das Rohe. Und dass es keine große Produktion braucht. Wie bei dem YouTube-Video, das sie mitten im schwedischen Wald bei der Coverversion eines Fleet-Foxes-Songs („Tiger Mountain Peasant Song“) zeigt – und Grundstein ihrer Karriere war.
Majestätisch. Sechs Jahre später haben sie nicht nur die Holzfällerhemden gegen Hippiekleider getauscht. Nach zwei intimen, reduzierten Alben geht „Stay Gold“ musikalisch in die Breite: Aufgenommen mit Produzent Mike Mogis (Bright Eyes) in Omaha, Nebraska, lassen majestätische Streicher-Arrangements ihre Songs zu neuer Größe anschwellen. Die bittersüßen Melodien, die nur darauf warten, beim nächsten Open Air aus hunderten, vielleicht tausenden Kehlen verstärkt zu werden, werden bisweilen von Banjo oder Spaghettiwestern-Gitarren begleitet. Den Albumtitel haben First Aid Kit „Nothing gold can stay“ von Robert Frost entliehen, einem Gedicht über die Vergänglichkeit. Zumindest diese Saison wird „Stay Gold“ strahlen: als heimliche Sommerplatte, deren zeitloser Folkrock viele Herzen wärmen dürfte. (Columbia)
>> Live beim Festival Waves Vienna, 2. bis 4. Oktober, Wien.
>> Link:www.wavesfestival.eu