Sleater-Kinney: Schmerz, Liebe, Revolte

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Comeback: Bei Sleater-Kinney geht es noch immer um alles.

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Das Schlagwort „Retromania“ hat den Popdiskurs in den vergangenen Jahren derartig geprägt, dass es selbst schon wieder retro ist. Es kommt nichts Neues mehr, so die These. Altverdiente Helden aus den Achtziger- und Neunzigerjahren kehren wieder, die Shoegazer My Bloody Valentine und Slowdive, die Slacker-Prinzen Pavement und viele, viele mehr tauchen immer wieder aus der Pension auf, um die Nostalgie zu pflegen und ein bisschen Bewegung aufs Bankkonto zu bringen. Immer öfter werden sogenannte klassische Alben aus dem Indierock-Kanon auf Konzerten werkgetreu und zur Gänze wiedergegeben, im Dienste der eigenen Musealisierung und, um den schon sanft ergrauten Fans das Nachdenken über ein besseres Gestern zu erleichtern. Die traditionelle Frage lautet hier, zu kurz gedacht: Wer braucht das? Was die Welt jetzt braucht, ist das Comeback einer Band, von der es kaum jemand erwartet hätte. Das Trio Sleater-Kinney aus Olympia, Washington, hat soeben sein
achtes Album veröffentlicht: „No Cities to Love“ ist der erste Longplayer der Band seit ihrer Auflösung im Jahr 2006.



Sleater-Kinney sind uneitle Idole, Ikonen einer Bewegung, einer Musik, einer Haltung, eines Lebens, das gern – etwas unscharf – „Riot Grrrl“ genannt wird. Aus Post-Punk, Sixties-Beatmusik und nervösem Achtziger-Gitarren-Wave haben sie ab 1995 ihren eigenen schlanken, schmissigen Stil destilliert. Auf „No Cities to Love“ kann man nun wieder hören, was Sleater-Kinney so großartig macht. Zwei Gitarren und ein Schlagzeug, aufeinander eingespielt und in schockierender Präzision ineinander verhakt, aufgekratzt, stürmisch, beschwingt. Lustvoll, widerborstig und voller Saft. Zwei unterschiedliche Gesangstile, zwei Stimmen, die sich gegenseitig umschwirren, auf Konfrontation gehen und gemeinsam das Gute finden. Corin Tuckers bluesig virtuoses Schreien und Vibrieren, Carrie Brownsteins rotzig-schnippische Punk-Attitude. Janet Weiss bearbeitet dazu die Drums in rätselhafter Vielarmigkeit, Bass gibt es
keinen.

Sleater-Kinney begreifen mit großem Ernst und großem Witz das Leben und zeigen es in all seiner prächtigen und widerwärtigen Widersprüchlichkeit auf. Bei Sleater-Kinney ging und geht es um alles: Politik und Sexualität, Widerstand, Außenseitertum, Liebe, Verzweiflung, Schmerz, Fun, Revolte. Auf „No Cities to Love“ klingen Sleater-Kinney so kompakt und selbstsicher wie selten, dabei kampfbereit wie eh. Es gibt noch viel zu tun. Jetzt schon ein Rock’n’Roll-Album des Jahres. Words and Guitar. (Sub Pop)

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