Weather Report: Zurück in die Zukunft

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Eine CD-Box erinnert an die große Band Weather Report.

An einem Wintertag in Wien-Erdberg, auf Heimaturlaub sozusagen, komponierte der aus Wien nach Amerika ausgewanderte Joe Zawinul das elegische „In A Silent Way“. Es eröffnet die Kompilation „Forecast: Tomorrow“ – bestehend aus drei CDs und der DVD des legendären Konzerts von 1978 in Offenbach –, obwohl es gar nicht von Weather Report eingespielt wurde. 1969 nahm es der große Miles Davis auf, Zawinul und Saxofonist Wayne Shorter waren dabei: Dieses Stück nahm das traumwandlerische Interplay, das die von diesen beiden 1971 gegründete Formation Weather Report kultivieren sollte, vorweg. „Composition by creation“ war das Konzept. Die Grenzen zwischen Komposition und Improvisation verloren sich im Nebel der kollektiven kreativen Anstrengung. Bei Weather Report spielten nur die Besten. Schlagzeuger Eric Gravátt etwa oder Bassistenkaiser wie der lyrisch veranlagte Miroslav Vitouš oder der energiegeladene Jaco Pastorius, die beide – angeregt durch die Vorarbeit von Scott LaFaro – den Bass aus der Rolle des nur unterstützenden Instruments befreiten. Bei Weather Report waren – im Prinzip – alle gleichberechtigt. „We always solo, and we never solo“, sagte Zawinul. Das hört man schon im geheimnisvollen frühen Stück „Eurydice“: Die Instrumentalisten spielen anscheinend aneinander vorbei, bis irgendwann, wie von Geisterhand geführt, alle Fäden wieder zusammenkommen. Überhaupt sind die frühen Stücke von besonderem Zauber: „Tears“ etwa lockt mit einem sanften Sopransaxofonmotiv und ätherischen Gesängen in wilde Strudel von E-Piano-Salven und peitschenden Bässen, reflektiert so die Widersprüchlichkeit des Menschen. Laut Zawinul geht es weniger um Leid als um Zorn.

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„Dream Clock“. So bietet die mit feiner Hand zusammengestellte Kompilation 34 bald sophistische, bald kraftmännische Klangszenarien aus 16 Jahren Weather Report. Auf „Dream Clock“ (1980) klingt Shorters Spiel wie ein Nachhall des spirituellen Free Jazz, Zawinul spielt ein Keyboard, wie es auch in einer Harlemer Messe erklingen könnte, Pastorius‘ singender E-Bass erzählt von der Pein der Ruhelosigkeit. Nervös tönt auch „The Pursuit Of The Woman With The Feathered Hat“, eines der raren Gesangsstücke, diesfalls mit Jon Lucien. Die leicht blechernen Welthits wie „Birdland“ und „Black Market“ dürfen natürlich nicht fehlen. Aber es sagt einiges über die Qualität dieser Band, dass der Remix von „125th Street Congress“ blasser ist als das Original. Insgesamt: eine Reise zurück in die Zukunft des Jazz.

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