Róisín Murphy: Nach eigenen Regeln

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Die beeindruckende Rückkehr von Róisín Murphy.

Jahrelang lieferte Róisín Murphy Hymnen für den Dancefloor – egal ob als eine Hälfte des Duos Moloko („Sing It Back“, „The Time Is Now“) oder als Solokünstlerin („Owerpowered“, „You Know Me Better“, „Let Me Know“). Ihr erstes Album seit acht Jahren, „Hairless Toys“, klingt nun weniger nach der Euphorie im Club als nach der sanften Melancholie danach. Sie erforscht die weniger ausgeleuchteten Ecken von Disco und House, wo die Ekstase einer Nachdenklichkeit gewichen ist: Etwa in „Exploitation“, dem mit über neun Minuten längsten Song des Albums. Er endet mit einem fragenden „who“: Wer? Wer beutet wen aus? Wer manipuliert wen? Immer wieder singt Murphy die Zeile „Who‘s exploiting who?“ zum subtil klickenden Beat. Mit jedem An- und Abschwellen des Stücks meint man, eine Machtverschiebung zwischen den Involvierten zu vernehmen, seien es Liebende, seien es Künstler und ihr Umfeld, Musiker und die Musikindustrie. Nach 20 Jahren im Geschäft – das Moloko-Debüt „Do You Like My Tight Sweater“ erschien 1995 – agiert Murphy weitgehend nach ihren eigenen Regeln. Beim Video zu „Exploitation“ führte sie selbst Regie – und spielt die Hauptrolle. „Es war an der Zeit, die komplette Kontrolle über mein Image zu übernehmen“, ließ die Irin ausrichten. Auf Radio-Airplay schielt sie erst gar nicht. Nur ein Song ist kürzer als fünf Minuten, ausgerechnet der etwas windschiefe, superbe Country-Twang von „Exile“, der vielleicht untypischte Song ihre Karriere. Wobei sich Murphy mit ihrem Gesang, ihrer Stimme längst alles zu Eigen machen kann. Im Vorjahr etwa italienischen Pop und Italo-Disco: Die EP „Mi Senti“ war eine prächtige Hommage an die Songs von Mina oder Lucio Battisti, produziert von ihrem Lebensgefährten Sebastiano Properzi.

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Zärtlicher als früher. Die musikalischen Anknüpfungspunkte zum neuen Album halten sich in Grenzen. Aber die Art, wie Murphy die italienischen Stücke gesungen und intoniert hat, hallt auf „Hairless Toys“ nach: Sie klingt weicher, zärtlicher, weniger expressiv als früher. Das Tempo der neuen, mit Langzeit-Kollaborateur Eddie Stevens produzierten Stücke ist gedrosselt. Nur für wenige Momente kommt Dancefloor-Furor auf. Wenn etwa in „Evil Eyes“ eine Disco-Gitarre im Stil von Chics Nile Rodgers (der wie Murphy am 11. Juli bei der Nova Jazz & Blues Night in Wiesen gastiert) aufblitzt, sieht man kurz ihre elegant-eckigen Tanz-Moves vor dem inneren Auge. Doch auch ohne peitschenden Hit zählt „Hairless Toys“ zu ihren besten Arbeiten: ein komplexes, emotionales Disco-Pop-Meisterstück. (PIAS)

Live-Tipp: Nova Jazz & Blues Night am 11.7., Festivalgelände Wiesen. Mit u.a. Róisín Murphy, Chic featuring Nile Rodgers, Count Basic, Marla Glen, Sinkane.

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