Hudson Mohawke: Zukunft war gestern

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Im Hier und Jetzt: Hudson Mohawkes „Lantern“.

Was passiert, wenn eine einstige Zukunftsmusik in die Jahre kommt? Und wie reagieren ihre Protagonisten
darauf? Der schottische Produzent Ross Birchard hat mit dem Album „Lantern“ eine persönliche Antwort gefunden. Als Hudson Mohawke entwarf er Ende der Nullerjahre eine damals ungehörte Soundästhetik des digitalen Maximalismus: Überlebensgroße Synthie-Fanfaren, stolpernde Beats, Computerspiel-Sounds, überzeichnete R’n’B-Einflüsse, Hightech-Funk und mehr verschmolzen auf seinem Debüt „Butter“ (2009) zu einem euphorischen Gegenpol zum Dancefloor-Minimalismus. Auch die Hip-Hop-Welt horchte auf, allen voran Kanye West, der ihn als Hausproduzenten zu seinem Label holte. Mit Arbeiten für Wests „Yeezus“ und Stars wie Drake zogen Birchards Beats immer weitere Kreise. Das Projekt „TNGHT“ hievte ihn schließlich auf die größten Festivalbühnen. Dort könnte er es sich mit seinem Sound, der die Massen verlässlich zum Ausrasten bringt, bequem machen. Tut er aber nicht.

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Nostalgie. „Bring us back, bring us back, to our very first
breath“, heißt es im zweiten Stück. Es handelt vom Ende einer Beziehung. Die Nostalgie in diesen Zeilen lässt sich aber auch als Birchards Sehnsucht nach seinen Wurzeln als Künstler deuten: Seine ersten Atemzüge als Produzent waren keine großen Rap-Produktionen, sondern R’n’B-Bootlegs. Die songorientierten Stücke von „Lantern“ kommen daher ohne Hip-Hop-Gäste aus. Er setzt auf R’n’B-Vokalisten wie Miguel, dessen Herzschmerz-Crooning er in „Deepspace“ kongenial in Szene setzt: als rätselhaften Fluss der Rhythmen, mit einem pochenden Puls, bald verletzlich, bald bestimmt. Weit entfernt von den Brachialfanfaren von „TNGHT“. (In den clubtauglicheren Stücken wie „Scud Books“ hallen diese noch ordentlich nach.) Antony Hegartys Stimme lässt er in „Indian Steps“ von sinnlich tanzenden Soundpartikeln umkreisen. „Warriors“ punktet mit einem hymnischen Refrain. Und das auf einem alten Soul-Sample basierende „Ryderz“ ist nicht nur eine Hommage an Sample-basierten Hip-Hop, sondern auch ein Frohsinn stiftender, kleiner Sommerhit. Es passt, dass „Hudson Mohawke“ als Neonschriftzug auf dem Cover leuchtet – und das Erste und Letzte ist, was man auf dem Album hört – gehaucht von einer jungen Stimme. Denn „Lantern“ handelt von einem Produzenten, der sein Arsenal an Beats und Sounds im Hier und Jetzt variiert und breiter zugänglich macht, ohne Kompromisse einzugehen. Ein schillerndes Album auf der Höhe der Zeit. Die Zukunft überlässt er heute gern anderen. (Warp)

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