Carly Rae Jepsen: Rückkehr zur Unschuld

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Pop der 1980er: Carly Rae Jepsen begibt sich mit "Emotion" auf eine zuckersüße Zeitreise.

Das Erste, was zu hören ist: ein Saxofon, schwülstig geblasen. Zu diesen lasziven Tönen manifestieren sich im Kopf Szenarien aus vergangenen Tagen. Pfirsichfarbene Sakkos mit Schulterpolstern, drei Nummern zu groß, Föhnwelle, spätnächtliche Detektiv-TV-Serien, eingefangen mit dem Weichzeichner, eventuell mit erotischem Unterton. Verkürzte Bilder, die auftauchen, wenn wir sagen: So in etwa waren sie, die 1980er. Die kanadische Sängerin Carly Rae Jepsen steigt mit ihrem neuen Album „Emotion“ ohne Scham in Sphären, Sounds und Styles, die eines nicht sein müssen: cool. Eine Zeitreise, eine Rückkehr zur Unschuld, freilich mit allem modernen Studiobrimborium und Pomp, den die Musikindustrie hergibt, ins Heute transponiert. Das, was Carly Rae Jepsen auf dieser Platte vorlebt, will keine Hipness definieren – es ist bloß die Ausbuchstabierung von POP auf der Höhe der Kunst.

Jepsens Song „Call Me Maybe“ war 2012 die meistverkaufte Single des Jahres, dank viraler Verbreitung in allen Farben unvermeidbar – die Interpretin selbst schnell als One-Hit-Wonder weggeheftet. Was sich mit „Emotion“ nun ändern sollte. Während andere, aktuell erfolgreiche Pop-Künstlerinnen wie Taylor Swift oder Miley Cyrus mit aller Kraft versuchen, sich vom braven Teenie-Image zu emanzipieren, ostentativ frech und zeitgeistig rüberkommen wollen und in den heißen Moden der Gegenwart – von Hip-Hop bis elektronischer Clubmusik – fischen, bleibt Jepsen mit voller Absicht altmodisch. Sie besingt Tagebuchpoesie, die Schwierigkeiten des ersten Verliebtseins, dieses komische Dilemma, wenn man plötzlich mehr möchte als bloß beste Freunde bleiben. Früh-1980er-Madonna, Oldschool-Disco, Früh-Neunziger-Schlafzimmer-R ’n’ B, Bubblegum-Musik, Verbeugungen vor der jungen Whitney Houston. In diesen Songs quietscht und blubbert es, es lebt und dreihundert Luftballons gehen hoch. All diese Lieder – allesamt Hits – bewohnt Carly Rae Jepsen mühelos.

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Popmusik im Jahr 2015. Hier liegt das Problem dieser allzu perfekt konstruierten Platte: Jepsen fügt sich nahtlos in die Stimmungen und Atmosphären, dabei geht ihr eine eigene Identität verloren. Kaum Brisanz und gefährliches Brodeln, wie es eine Madonna eben – bei aller wechselhaften Qualität des Outputs – immer ausgestrahlt hat. Dennoch: Wer wissen möchte, wie Popmusik im Jahr 2015 klingen kann, möge „Emotion“ von Carly Rae Jepsen hören. Musik, die Schulskikurs-Discos, Maturabälle und Ferienromanzen untermalen möge, für junge Menschen jeglichen Alters.

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