Cécile McLorin Salvant: Schlicht ein Wunder

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Cécile McLorin Salvants drittes Album „For One to Love“.

Sie ist erst 26 Jahre alt, singt aber mit einer Reife und einem individuellen Ton, der heutzutage in der durch die flächendeckende Ausbildung in Jazzuniversitäten leider ziemlich nivellierten Jazzszene sehr ungewöhnlich ist. Ende Mai begeisterte Cécile McLorin Salvant im Wiener Club Porgy & Bess, und schon im März 2016 gibt diese Frühvollendete ihr Debüt im großen Saal des Wiener Konzerthauses. Seit Ewigkeiten hat man niemanden dieses jugendlichen Alters mit solcher Autorität über existenzielle Betrübungen singen gehört. Selbst jene, die die Vergangenheit gern glorifizieren, stellen sie in eine Reihe mit der Dreifaltigkeit des weiblichen Jazzgesangs: mit Billie Holiday, Sarah Vaughan und Ella Fitzgerald. Mclorin Salvant, in Miami als Kind eines Exil-Haitianers und einer französisch-guadeloupischen Mutter geboren, hat zudem einen kleinen französischen Tick. Der rührt nicht nur von der zweiten Muttersprache, sondern von einem existenzwendenden Aufenthalt in Aix-en-Provence. Im zarten Alter von 16 Jahren reiste sie hin, um bei Jean-François Bonnel Improvisation zu studieren. Er erkannte ihr großes Talent und machte sie mit einem ungewöhnlichen Repertoire bekannt, das hauptsächlich aus vergessenen Liedern bestand, die zwischen 1910 und 1935 populär waren. 2010 nahm sie dann ihr Debütalbum in Japan auf. Das bemerkte zu Unrecht kaum jemand. So richtig aufgefallen ist sie dann 2012, als sie Meisterpianist Jacky Terrasson auf seinem Album „Gouache“ den John-Lennon-Song „Oh My Love“ singen ließ. Ein Jahr später feierte sie ihren Durchbruch mit dem famosen Album „Woman Child“, auf dem sie zeigte, wie betörend sie schmachten, wie vital sie scatten kann. Neben obskuren, aber sehr berührenden Uraltsongs wie „You Bring out the Savage in Me“ punktete sie mit grandiosen Eigenkompositonen wie dem Titeltrack „Woman Child“ und „Le Front Caché Sur Tes Genoux“, der Vertonung eines Gedichts von Ida Faubert.

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Famoses Trio. Ihr neues Album, das abermals mit dem famosen Trio um den Pianisten Aaron Diehl eingespielt wurde, besticht mit fünf Eigenkompositionen, die in ihrer Tiefe nahtlos an die Vorkriegslieder anschließen, die sie auch auf diesem Album präferiert. Auch jüngeres Material, etwa Burt Bacharachs „Wives And Lovers“ interpretiert sie hinreißend. Dass sie dieses Lied, wie sie in ihren Konzerten sagt, für so sexistisch hält, dass es am besten in der TV-Serie „Mad Men“ aufgehoben wäre, tut ihrer beseelten Lesart keinen Abbruch. Diese junge Sängerin ist schlicht ein Wunder. (Mack Avenue)

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