„A Love Supreme“: Coltranes Gotteslob

Ein einziges Mal spielte C oltrane „A Love Supreme“ live: in Antibes.
Ein einziges Mal spielte C oltrane „A Love Supreme“ live: in Antibes.(c) Beigestellt
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Eine Edition zum 50. Geburtstag von „A Love Supreme“.

„Wie Moses, der von Berg Sinai herabkommt“, so habe John Coltrane gewirkt, als er das Konzept für „A Love Supreme“ fertig hatte. Das erzählte Alice Coltrane, die bald nach diesem Album in die Band ihres Mannes einsteigen sollte. „A Love Supreme“ entstand noch mit dem klassischen Quartett – McCoy Tyner am Klavier, Jimmy Garrison am Bass, Elvin Jones am Schlagzeug –, obwohl Coltrane schon daran dachte, diese Form zu sprengen. Er nahm den ersten Satz der viersätzigen Suite, das „Acknowledgement“, auch mit einem Sextett auf (zusätzlich: Archie Shepp am Saxofon, Art Davis am zweiten Bass), etliche Versionen davon sind auf der neuen Edition enthalten. Man hört gleich, warum sich Coltrane gegen sie entschieden hat: Ihnen fehlt die majestätische Entschlossenheit, die Ruhe im (und vor dem) Sturm, die er für die Eröffnung seines Magnum opus brauchte. Denn das ist es, gerade weil es an der Schwelle zum Freejazz steht, weil es einen Aufbruch festhält. Keinen Aufbruch zur Formlosigkeit! Wenn die neue Edition mit ihren vielen (verworfenen) Versionen etwas zeigt, dann, dass Coltrane genau wusste, welche Form er für seinen Inhalt wollte. Die Idee völlig freier Improvisation, bei der jeder spielt, was ihm gerade durch den Kopf geht, war ihm fremd. Was Coltrane mit „A Love Supreme“ sagen wollte, hielt er – untypisch für den wortkargen Musiker – auch in Texten fest. In einem Brief an die Hörer, mit dem Motto „All praise be to god, to whom all praise is do“ und der Erklärung, wie „A Love Supreme“ in ihm gereift sei: „During the year 1957, I experienced, by the grace of god, a spiritual awakening . . .“ Der zweite Text, ein Gebet, ebenfalls auf der Plattenhülle abgedruckt, schildert dieses spirituelle Erwachen, das an Blaise Pascals Gottesvision vom Jahr 1654 gemahnt. Es gipfelt in drei Wörtern, die Coltranes Musik dieser Zeit gut beschreiben: „Elation – elegance – exaltation.“

The Complete Masters“: alle Aufnahmen von „A Love Supreme“.
The Complete Masters“: alle Aufnahmen von „A Love Supreme“.(c) Beigestellt

Live in Antibes. Erst spät entdeckten Hörer, dass der vierte Satz, der „Psalm“, eine direkte Vertonung dieses Gebets ist: Jeder Ton entspricht einem Wort. Bei der Aufnahme aus Antibes – wo Coltrane die ihm so wichtige Suite zum einzigen Mal live aufführte – stimmt das nicht, und hier ist auch die hymnische Majestät, die dieses Stück selbst dort ausstrahlt, wo es den Solisten vor Intensität zu zerreißen scheint, gewichen – einer schmerzlichen Zerrissenheit. Hört man hier durch alles Gottvertrauen schon Todesangst? John Coltrane starb am 17. Juli 1967 an Leberkrebs. Im reichen Werk, das er hinterlassen hat, ist „A Love Supreme“ das wohl vollkommenste Stück. (Universal)

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