DIIV: Rauch, Rauschen, Rock

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Übermut und Größenwahn: „Is The Is Are“ von DIIV.

Die gute alte Rock ’n’ Roll-Geschichte ist bekanntlich nicht selten die schlechte Rock ’n’ Roll-Geschichte: die vom über die Maßen ungesunden An-sich-selbst-zugrunde-Gehen und vom zu frühen Verglühen. Der in Brooklyn ansässige Musiker Zachary Cole Smith hat sie verinnerlicht, mit allen verfügbaren Nadeln und Pulvern, ist so in der jüngeren Vergangenheit zum gern verlachten Scherenschnittfigürchen des personifizierten sogenannten Rock ’n’ Roll-Lifestyles geworden. Aber man kann es sich ja vielleicht nicht aussuchen. Kunst kommt nicht von können, sondern von müssen. Mit dem ersten Album seiner Band DIIV aus dem Jahr 2012 hat sich Smith vor allem an Noise und verkrachtem Indierock der Neunzigerjahre abgemüht, insbesondere an der Nachlassverwaltung von Kurt Cobain – einem Ideologiespender Coles wohl nicht bloß in musikalischer Hinsicht. Ein recht schönes, solides Album ist diese Platte namens „Oshin“ seinerzeit geworden, Schlagzeilen – wenn überhaupt – machte Zachary Cole Smith hingegen mehrheitlich durch seine zunehmend außer Kontrolle geratende Drogensucht und die damit einhergehenden Probleme mit der Staatsgewalt. Die vergangenen vier Jahre hat er mit Beteuerungen verbracht, er arbeite an einem großen, breiten Meisterwerk, das ihn und seine Band DIIV abseits aller Klischees in die Musikgeschichte einbrennen sollte. „Is the Is Are“ nennt sich diese gerade erschienene, zweite Platte von DIIV geheimniskrämerisch, und: Es ist – darunter geht es nicht – ein Doppelalbum geworden. Man kann „Is the Is Are“ also problemlos als ambitioniert bezeichnen – was in nicht wenigen Fällen so viel wie bemüht oder gut gemeint bedeuten mag.

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Krautrock, Postpunk. So schlimm ist es hier bei Weitem nicht: Zachary Cole Smith und seine Erfüllungsgehilfen zapfen auf dem Fundament von gut mit Hall belegtem Gitarrenpop allerlei Fässer an: die repetitive, ja, hypnotische Macht des Krautrocks der Siebziger, nebelverhangene Shoegaze samt Effektpedal-Overload, ungut schimmernde Postpunk-Variationen im Andenken an The Cure. Neu ist das freilich alles nicht, und der vom Künstler erwünschte Klassiker ebenso wenig. Hinter all dem Rauch und Rauschen schlummern jedoch feinste Liedchen, die als Neubeginn einer viel versprechenden Band verstanden werden können. Gesungen, murmelnd, wird standesgemäß von Isolation, Hirnpsychedelik und Drogen, mit gut 70 Minuten Laufzeit ist „Is The Is Are“ natürlich auch viel zu lang. Aber Übermut und Größenwahn braucht der Rock ’n’ Roll schließlich. (Captured Tracks)

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