Gregory Porter: Blick in finstere Gassen

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Gregory Porters viertes Album: subtile Protestsongs.

Man vermeint, diese Stimme schon
seit Ewigkeiten zu kennen. Gregory ­Porters charismatischer Bariton verstrahlt eine ähnliche Aura, wie sie einst bei Granden von Nat King Cole bis Leon Thomas herrschte. In der Wärme seines Gesangs findet man den behütenden Gospel seiner Kindheit, aber auch jene Bitterstoffe, die mit dem Aufwachsen in einem rassistischen Umfeld verbunden sind. Er hat den Soul der Siebzigerjahre, also Marvin Gaye, Donny Hathaway und Stevie Wonder, genauso internalisiert wie den Jazz und den Blues der Vorväter. Den Trost, den er einst als Jugendlicher aus diesen Genres, aber auch aus dem Werk des Countrysängers George Jones geschöpft hat, den soll auch seine eigene Musik bereitstellen. „Take Me to the Alley“ ist das erst vierte Opus des spätberufenen Jazzstars. Inspiriert wurde er dafür vom Besuch von Papst Franziskus in New York und vom altruistischen Wesen seiner Mutter, die regelmäßig in die schlimmsten Straßen ihrer Stadt Bakersfield fuhr, um den Armen auszuhelfen. So will Porter auch mit den zwölf neuen Songs „Liebe und Protest promoten“. Sein Protest gegen gesellschaftliche Missstände ist ein leiser, die Liebe, auf die er insistiert, geht über schlichte Zweisamkeit hinaus. „Take me to the afflicted ones“, singt er zu einem sanften Pianogroove und gleißenden Melodienlinien einer gestopften Trompete im Titelsong. In „Fan the Flames“ wird der Protest etwas expliziter. „Stand up on your seat with your dirty feet“, sagt er darin Politikern. „Protest. But be sweet!“, fordert er vom Volk.

„Take Me to the Alley“, die vierte CD des 45-jährigen Gregory Porter.
„Take Me to the Alley“, die vierte CD des 45-jährigen Gregory Porter.(c) Beigestellt

Grandiose Band. Nach wie vor musiziert Porter mit der Band, mit der er 2010 sein Debüt „Water“ eingespielt hat, also mit dem Pianisten Chip Crawford, dem Bassisten Aaron James, dem Altsaxofonisten Yosuke Sato, allesamt begnadete Improvisatoren, die alle Genres intus haben, wie sie zuletzt in London mit einer Freejazz-Funk-Version des Beatles-Klassikers „Come Together“ bewiesen. Unter den Highlights sind die innige Neuaufnahme von „Holding on“ (ursprünglich mit der britischen Elektronic-Dance-Group Disclosure eingespielt), intime Songs wie „Daydream“ und „Consequence of Love“, aber auch afrikanisch lackierte Sozialstudien wie „French African Queen“. „Don’t Lose Your Steam“ ist eine wild groovende Hommage an die Lebenslust seines dreijährigen Sohnes, das überraschend poppige „In Fashion“ geißelt die Oberflächlichkeit der Facebook-Twitter-Generation. Nach „Liquid Soul“ ist Porter also ein weiteres Meisterwerk geglückt. Niemand hat im heutigen Jazz mehr Autorität als er. (Blue Note)

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