Angel Olsen: Liebeskämpfe

(c) Amanda Marsalis
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Große Emotionen: Angel Olsens drittes Album.

Heute Nacht wird sie nicht aufgeben. In „Shut Up Kiss Me“, einem der bislang besten Songs der US-Songwriterin Angel Olsen, versucht die Protagonistin ihren Partner zu überzeugen, dass die gemeinsame Liebe es wert sei, um sie zu kämpfen. Sie versichert mit Nachdruck: „This heart still beats for you.“ Und fordert, zum stakkatoartig verdichteten Rhythmus: „Shut up kiss me hold me tight.“ So vehement, dass sie keine (Atem-)Pausen einlegt – und der Songtitel keinen Beistrich braucht. Es ist rast- und atemloser Gitarrenpop, der sich nicht nur musikalisch vom Country-inspirierten Vorgänger abhebt. Denn die Protagonisten des dunklen „Burn Your Fire for No Witness“, mit dem sie 2014 den Durchbruch schaffte, hätten vermutlich längst resigniert. Das wurde nicht selten auf Olsen selbst projiziert: „Ich wurde zum Magnet für Weirdos“, sagte die in St. Loius geborene und derzeit in Asheville, North Carolina, ansässige Künstlerin unlängst in einem Interview. Dieses Bild des „sad country girl“ will sie mit „My Woman“, ihrem dritten Album, korrigieren. Neben „Shut Up Kiss Me“ gelingt das mit Songs wie dem rockigen, leichtfüßigen „Give It Up“. Musikalisch spannt sie den Bogen weiter denn je: „Intern“ eröffnet das Album mit einmal klagenden, einmal sehnsüchtigen Synthesizerklängen: „Pick up the phone, but I swear it’s the last time“, singt Olsen mit leicht zitternder Stimme in ihrer höchsten Stimmlage. Will sich die Protagonistin verabschieden? Will sie jemanden erreichen, der sie abweist? „You’ll never be mine“, heißt es dann im rührenden „Never Be Mine“, dessen Drama an Sixties-Girl-Groups erinnert.

„My Woman“: Die bald intime, bald kraftvolle Stimme ist der Motor dieses Meisteralbums.
„My Woman“: Die bald intime, bald kraftvolle Stimme ist der Motor dieses Meisteralbums.(c) Beigestellt

Aufschrei. Es sind die Unmöglichkeiten der Liebe, mit denen die Figuren in Olsens Songs kämpfen: „Have whatever love you want to have, but I can’t be her anymore“, singt sie im meditativen „Heart Shaped Face“. Und fügt mehrmals „heartache ends“ hinzu, nur um dann anzuheben: „And begins again.“ Noch eindringlicher ist nur, wie sie im epischen „Woman“ die vielleicht zentrale Zeile des Albums als ins Mark fahrenden Aufschrei singt: „I dare you to understand what makes me a woman.“ Olsen, die zu Beginn ihrer Karriere in der Band von Bonnie „Prince“ Billy spielte, entfesselt auf „My Woman“ verlässlich Emotionen. Ihre bald intime, bald kraftvolle Stimme ist der Motor dieses meister­lichen Albums. Bei all den unterschiedlichen Stilen und Sounds, die Olsen streift und verarbeitet, ist sie es, die nachhaltig fasziniert. (Jagjaguwar)

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