Weyes Blood: Ins All und retour

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Rätselhaft und schön: das vierte Album von Weyes Blood.

Aufreibend und beunruhigend, vertrackt, süß, außerweltlich, wunderbar. Der kalifornischen Musikerin Natalie Mering gelingt auf dem vierten Album ihres Projekts Weyes Blood durch die Schichtung und Nebeneinanderstellung verschiedener Stimmungen und Atmosphären eine glücklich rätselhafte Tonlage. Auf „Front Row Seat to Earth“ verwischen digitaler Futurismus, Folklore, Surrealismus und Naturpoesie. Bislang ist Mering als Teil der Band des schmalzig-cleveren Artpop-Gauklers Ariel Pink oder zauseligen Avant-Krautpopkollektivs Jackie-O Motherfucker in Erscheinung getreten; auf ihrer neuen Soloplatte erstrahlt nun ihre eigene Vision in großem pastellenen Glanz, ausformuliert, genau gesetzt. Hier fügt sich mühelos so einiges: sonnendurchfluteter Softrock der späten 1960er- und frühen 1970er-Jahre, abgebremster Country, minimalistischer Folk mit leicht märchenhafter Note. Eine einsam gezupfte Gitarre, Piano, ein kleines Blasorchester, Streicher, fein gegossener Glöckchenklingklang. Diesen betont organisch und gern bewusst altertümlich daherkommenden Soundentwurf balanciert Weyes Blood mit elektronischen Sequenzen aus: surrendem, schief summendem Ambient, esoterisch tönenden Synthesizern, kosmischem Zwitschern. So geht auf „Front Row Seat“ die Reise von der Erde hinaus ins Universum, von Joni ­Mitchell, Fleetwood Mac, den Carpenters zu Joanna Newsom, Kate Bush, Enya und Julia Holter. Weihevoll, das Leben ist ein langer, ruhiger Fluss. Dass das alles nicht allzu eitel mit ehrwürdiger Patina protzt, liegt zu weiten Teilen auch an Natalie Merings Texten. Oft handeln ihre Stücke zwar von der alten, nie zu Ende erzählten Geschichte: der Liebe, dem Suchen der Liebe, dem Verschwinden der Liebe. Auch wenn es meist betrübte Lieder sind, die eher vom Schmerz als vom Glühen ­handeln, zeigt sich Mering stets als starke, gewitzte Erzählerin.

„Front Row Seat to Earth“. Neun vielschichtige Stücke.
„Front Row Seat to Earth“. Neun vielschichtige Stücke.(c) Beigestellt

Mobiltelefon. Auch widmet sie sich immer wieder bewusst zeitgenössischen, zeitgeistigen Motiven – ohne jedoch, dass diese wie bloße ausgestellte Gimmicks anmuten würden. Im Song „Generation Why“ taucht etwa das alberne Wort „Yolo“ weder peinlich noch allzu augenzwinkernd auf, auch erzählt das Lied vom sonst schon recht abgegriffenen Thema Mobiltelefone: „I’ve been hanging/On my phone all day/And the fear goes away.“ Kurz: „Front Row Seat to Earth“ von Weyes Blood ist eine vielschichtige, mehrdeutige Platte geworden, die sich dem Hörer nicht sofort öffnet, aber ihn doch zärtlich in ihren Bann zieht. (Mexican Summer)

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