Jim James: Trost in seltsamer Zeit

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Meisterhafter politischer Psychedelic-Soul von Jim James.

Die großteils vom eigenen Recycling lebende amerikanische Popmusik hat durch den gehässigen Wahlkampf zu verschütteten Traditionen zurückgefunden: Werte wie Solidarität und Gemeinsinn sind wieder Thema. Künstler wenden sich gegen das moralische Klima im Land, das sich auf furchtbare Weise auf Facebook & Co. manifestiert hat, neuen Medien, die sich längst als Schwundstufe des Sozialen entpuppt haben. Gerade weil sich das Internet zu einem Resonanzraum entwickelt hat, aus dem jede Andersheit eliminiert ist, sorgt es letztlich, wie es Philosoph Byung-Chul Han formuliert, „für eine Autopropaganda, die uns mit unseren eigenen Vorstellungen indoktriniert“. Einen Befreiungsschlag versucht nun Jim James, Songwriter und Sänger der großartigen My Morning Jacket. Obwohl eigentlich Spezialist für wortlose, aber spirituelle „Oh-Ah“-Refrains, ist er auf „Eternally Even“, seiner zweiten Soloplatte nach „Regions of Light and Sound of God“, richtiggehend politisch explizit geworden. Kritiker wollen in diesem famosen psychedelischen Soul-Album sogar das „What’s Going on“ der Gegenwart erkennen. James ist darob leicht irritiert. Vergleiche mit Curtis Mayfield behagen ihm eher. „Curtis Mayfield is like Buddha. I feel his spirit always seeps into my work.“ Mit anderen Worten: James geht es gleichermaßen um Sozialkritik wie um die Propagierung von Frieden und Liebe. „Now who’s getting cheated out?“, fragt er auf „Same Old Lie“. Seine ernüchternde Antwort: „You best believe it’s the silent majority.“ Tapfer wendet sich James gegen ein System, für das Ausbeutung und Ausschließung konstitutiv ist. „Hate crimes, shelter lines. They try to take whats yours and mine.“

„Eternally Even“ enthält neun penibel orchestrierte Lieder.
„Eternally Even“ enthält neun penibel orchestrierte Lieder.(c) Beigestellt

Hoch melodiös. Kontrapunktisch zu seinen scharfen Anklagen seufzen süße Synthesizermelodien, flötet Ko-Sängerin Shungodzo Kuyimba. Das hoch melodiöse Album umfasst neun penibel orchestrierte Lieder, in denen es um Hoffnung in einer Welt geht, die sozial auseinanderdriftet. Zum politisch-wirtschaftlichen Ungemach kommen die Zumutungen der Natur. James’ in eindringlichem Flüstergesang vorgetragenes Memento mori heißt „We Ain’t Getting Younger Pt. 2“. „Time’s our oyster . . . The grave’s always getting closer, but what the fuck you do?“ Sanft fordert er einen Neustart. „The world is war and blood – when it could have been love. We gotta put it back together again.“ Im sanft groovenden „In The Moment“ heißt es „I became defined by the tears and the pain, but lived to be lifted again.“ Weiterer Trost folgt: „Strange times can change.“ (Universal)

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