Leslie Feist: Die wilde Milde

Die aktuellen Bilder zeigen Leslie Feist meist verzerrt.
Die aktuellen Bilder zeigen Leslie Feist meist verzerrt.(c) Beigestellt
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Sängerin Feist kehrt nach sechs Jahren Stille zurück.

Selbstzufriedenheit ist ihre Sache nicht. Der große kommerzielle Erfolg schon gar nicht. Das bewies (Leslie) Feist 2008, als ihre Version des Sally-Seltmann-Songs „1, 2, 3, 4“ – auch durch den Einsatz in einer iPod-Werbung – viral wurde und sie gar für einen Grammy vorgeschlagen war. Da wurde ihr die Luft zu dünn. „Die Erwartungen, die daraus erwuchsen, hatten nichts mit mir als Künstlerin zu tun. Also war es mein Ziel, möglichst würdevoll diese Leiter wieder hinunterzusteigen und auf eine Höhe zu kommen, auf der ich wieder atmen kann“, sagt die heute 41-Jährige aus Amherst, Nova Scotia, der östlichsten Ecke Kanadas. Viele Jahre lebte und arbeitete sie in Paris und Berlin. Oft im Schutz eines Kollektivs. In Kanada war sie Teil der Supergroup Broken Social Scene, in Europa tüftelte sie mit Freunden wie Mocky, Chilly Gonzales und Renaud Letang. Nach sechs Jahren tauchte sie wieder in Paris auf, um das erstaunlich roh klingende Album „Pleasure“ aufzunehmen. Wenig überraschend sind die Genannten wieder dabei. Zusätzlich brilliert Ex-Pulp-Sänger Jarvis Cocker mit einer innig rezitierten Passage in einem wirren Klanggebilde namens „Century“, das so auch vom späten Serge Gainsbourg stammen könnte. Im Vorfeld des eigentlichen Songwriting verbrachte Feist einige Wochen auf einer sehr ursprünglichen, nicht ans Stromnetz angeschlossenen Insel in Kanada. In der Isolation begannen die Worte und Noten in ihrem Kopf zu sprudeln, die nun – auf erstaunlich manisch-depressive Weise zusammengezurrt – elf eindringliche Songs bilden. Feist spielt zumeist elektrische Gitarre mit Effektgeräten und singt in gewohnt brüchiger Art über verlorene Träume, ungewöhnliche Lüste und den Zauber der Simplizität. Es sind Intimität abstrahlende Selbstgespräche, bei denen man sich als Hörer durchaus voyeuristisch fühlen könnte. Ein Lied sei stets ein Versprechen, heißt es in „A Man Is Not His Song“: Ein Chor kontrastiert die sirenenhafte Stimme effektvoll, und zum Ausklang serviert Feist ein fettes Metal-Riff.

„Pleasure“ ist das fünfte Album der kanadischen Musikerin Leslie Feist.
„Pleasure“ ist das fünfte Album der kanadischen Musikerin Leslie Feist.(c) Beigestellt

Die Macht der Stimme. Auf bewusst unversöhnte Art begegnen einander das Zarte und das Harte auch in „I’m Not Running Away“. Doch am Schönsten sind die ganz fragilen Lieder wie „Get Not High, Get Not Low“ und „Young up“, deren Refrain süßen Schwindel auslöst. Die Macht der Stimme thematisiert diese unorthodoxe Sängerin in „I Wish I Didn’t Miss You“: „You called me baby, I called you one too, until you spoke to me with another voice, you sent spiders to fight for you.“ Einfach magisch. (Universal)

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