Yung Hurn: Radikal sanft

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Subversive Meisterwerke vom Donaustädter Yung Hurn.

„Kennst du Yung Hurn?“ „Ja, voll das Opfer“, meint zumindest Darko, ein Passant in Wien Donaustadt, der vom Onlinemagazin Noisey zu „1220“, dem offiziellen Debütalbum von Yung Hurn, befragt wurde. Man weiß ja, in der Heimat ist es für deviante Künstler selten leicht. In Deutschland ist Cloudrapper Yung Hurn der wohl größte Ösi-Star seit Peter Alexander. Er macht aus Stilempfinden so viel richtig, dass es manche nervt. Seine Verweigerungshaltung betrifft nicht nur eta­blierte Medien, die er zu düpieren liebt. Er pfeift breitflächig auf die Gepflogenheiten der Branche.

Etwa, dass man als Rapper eine gereimte Message zu „droppen“ hat. Seine Botschaften sind klandestiner Natur. Wenn er rappt, etwa zu den dunklen Soundscapes von „Ok, Cool“, dann klingt es, als hätte er die Backen voll zahnärztlicher Wundtupfer. Wenn er in einem Stück erzählt, dann tut er es minimalistisch: „Mach die Tür zu, wer hat die Karte jetzt? Gib dein Handy, Linien-Zebra. Irgendwer ruft an, Handy läutet, brrr brrr, oben steht ,Mama‘, bitte mach schnell.“ Was für eine Szene! Koksen auf dem Handydisplay am Klo, und ausgerechnet jetzt ruft die Mama an! In anderen Stücken murmelt und brabbelt er, als ginge es einzig um den Klang der Worte. Und sich als Schwächling zu inszenieren, das zählt zu Yung Hurns größten Stärken. Was für ein Labsal ist dieser leptosome Herr Hurn doch inmitten muskelaufgepumpter Machorapper. Wie köstlich branden diese einschläfernden Beats ans vom Dauerentertainment beleidigte Ohr.

OK, Cool. „1220“ ist auch auf CD und Vinylplatte erhältlich.
OK, Cool. „1220“ ist auch auf CD und Vinylplatte erhältlich.(c) Beigestellt

„Love Hotel Band“. Gleichzeitig mit „1220“ hat Yung Hurn sein schlagerhaftes R&B-Album mit seiner Zweitformation „Love Hotel Band“ ediert. Darauf auch der Smashhit „Diamant“, den er zuletzt bei seinem Riesenradkonzert auf Wunsch der Fans gleich dreimal gegeben hat. Hintersinnige Balladen erfreuen aber auch auf „1220“. „Sie schauen“ etwa, mit dem grandiosen, mit Auto-Tune-Effekt gesungenen Einzeiler „Alle hassen uns, aber sie schauen“. Widersinn und Irrsinn seiner Songlyrics erfahren Temperierung in deliziösen Zeitlupenbeats und sparsam gesetzten Sounds. „Yung Hurn, wieso bist du so, wieso ziehst du Koks, wieso sagst du das, wieso bist du so gemein? Ich sag das der Polizei“, heißt es im heiter selbstreferenziellen „Y. Hurn wieso?“. Vorzugsweise kommuniziert er das Sinistre mit fohlenhafter Unbekümmertheit. Yung Hurns Weichheit ist Inbegriff neuer Subversion. Es lässt sich ausschließlich sachte zu seiner Musik tanzen. Ist er der neue Johann Strauss? (Live From The Earth)

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