Ed Sheerans neues Album: Der Mainstream tut nicht weh

Sheeran mit Pandakostüm im Video zu "I Don't Care".
Sheeran mit Pandakostüm im Video zu "I Don't Care". (c) Screenshot
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Der erfolgreiche Brite hat sich für „No. 6 Collaborations Project“ nicht nur mit Justin Bieber und Eminem zusammengetan, sondern auch mit Chance The Rapper, Stormzy und Young Thug. Das stört manche Hüter des hehren Underground.

„All you cool people, you better leave now.“ Mit dieser eindeutigen Aufforderung beginnt ein neues, schwungvolles Duett des Briten Ed Sheeran, der bekanntlich bei vielen Frauen Niedlichkeitsalarm in Verbindung mit Bemutterungsdrang auslöst. Sein Partner in Crime ist diesfalls Travis Scott, der derzeit erfolgreichste Rapper der USA. Das Stück heißt „Antisocial“ und ist, wie alles bei Sheeran, jugendfrei. Es erzählt die Story eines Typen, der in einen Club geht, aber keinesfalls angesprochen werden will: „Don't touch me, I came to vibe. Won't let nothing come in between me and the night.“

Ein bisserl allein sein unter vielen. Was gibt es Schöneres? „Antisocial“ ist auf „No.6 Collaborations Project“ zu finden, dem offiziell vierten Album des britischen Hitparadenwunders. Dass Ed Sheeran als solches mit Undergroundkünstlern wie dem Amerikaner Chance The Rapper und dem britischen Grime-Künstler Stormzy gemeinsame Sache macht, stört manche. Der Vorwurf, er würde mit diesem Projekt nur Geld scheffeln wollen, ist wohl nicht angebracht. Davon hat er längst genug. Die Produktion dieses Albums ist sicher Sheerans Spieltrieb geschuldet und seiner beruflichen Einsamkeit. Immerhin bespaßt er die Stadien dieser Welt solo. Also sollte man ihm das bisschen Gesellschaft ruhig gönnen. Eine andere vorgebrachte Kritik – dass er Undergroundgrößen in den Mainstream reiße und somit für ihr traditionelles Publikum ungenießbar mache – richtet sich wohl von selbst.

Jedenfalls klingt einiges auf diesem Album recht knackig. Etwa das Duett „I Don't Care“ mit Justin Bieber, das Anleihen an den Schmachtgesang der Fünfzigerjahre nimmt und dabei doch recht fesch dahinrumpelt. Typische Vormittagsradiomusik, die Laune macht, ohne dass man exakt sagen könnte, warum. Lieder wie dieses sind für Büroexistenzen womöglich überlebenswichtig. Nach fünfmal Nebenherhören ist man süchtig nach dieser Melodie samt den dazugehörigen gesanglichen Eigentümlichkeiten.

Sheeran hat großes Talent für Melodien. Von den Partnern auf seinem neuen Opus holt er sich u. a. Inspiration für die eigene Trommelei. Überhaupt stehen Afroamerikaner auf ihn, den britischen Ginger Boy. Von manchen Europäern als Fußgängerzonenmusiker verunglimpft, genießt Sheeran so etwas wie Kultstatus in der Black Music Community der USA. Mitverantwortlich dafür ist seine kraftvolle Performance bei den Grammys von 2016. Dort ließ er es gemeinsam mit Beyoncé bei „Master Blaster“ so richtig krachen. Der im Saal sitzende Stevie Wonder, Komponist dieses Songs, traute seinen Ohren nicht. So explosiv hatte er sein Stück gar nicht mehr in Erinnerung. Angesichts dieser Wundertat verzeiht ihm der wohlmeinende Musikliebhaber die eine oder andere Flachheit, die Teile des neuen Opus „underwhelming“ machen, wie der Brite gern sagt.

„Baby Boom Dada Bing“

Warum nicht lieber die starken Momente hervorheben? Etwa „Feels“, ein Stück, bei dem die Rapper Young Thug und J. Hus mit von der Partie sind. Es betört mit einer sinnlichen Bassline, Stimmverzerrung und so herrlich patscherten Bekenntnissen wie „Bada boom dada bing, you'll knock me right off of my feet, baby, I got the feels for ya“. Und für das gefährlich groovende „Remember the Name“ konnte Sheeran immerhin Eminem und 50 Cent gleichzeitig ins Studio locken. Unnötig wie ein Kropf ist bloß die Metal-Mimikry „Blow“, die er gemeinsam mit Bruno Mars und dem Countrysänger Chris Stapleton aufgenommen hat. Davon abgesehen ist „No. 6 Collaborations Project“ ein erfrischendes Durcheinander, aus dem man sich buffetmäßig bedienen sollte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2019)

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