Wir sehen die Opfer verblassen

PJ Harvey:
PJ Harvey: "The Wheel"PJ Harvey
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Tragödin: PJ Harvey, geboren 1969, profilierte sich ab 1995 im Indie-Rock. Ihr achtes Album „Let England Shake“ befasste sich mit Krieg, nun kommt bald ihr neuntes, „The Hope Six Demolition Project“.

PJ Harvey: "The Wheel". Mit der Betroffenheit ist es so eine Sache: Oft ist sie Floskel, nahe an der Heuchelei. Wir können nicht auf alle schrecklichen Meldungen reagieren, wir müssen sie ausblenden. „We watch them fade out“, singt PJ Harvey wieder und wieder am Ende dieses Songs, eine zweite Bedeutung schwingt mit: Wir sehen die Opfer verblassen. „I heard, it was 28.000“, antwortet der Chor kühl auf Harveys erregten Ruf „Hey, little children, don't disappear!“ Die Zahl spielt auf keine konkrete Katastrophe an, es könnte ein Krieg sein, ein Erdbeben. Nicht das Unglück in einem Vergnügungspark, das Harvey am Anfang beschreibt: Vier kleine Kinder fliegen aus einem Ringelspiel. Dann singt Harvey über eine Tafel mit Vermissten, über 8000 vergilbte Fotos, und dahinter ist immer dieser auf Händeklatschen aufgebaute Rhythmus, der ausgelassen, geradezu fröhlich anmutet, ob man will oder nicht. Verstörend.


Den Song der Woche
küren allwöchentlich Thomas Kramar („Die Presse“) und Philipp L'Heritier (Radio FM4). Zu hören ist er am Sonntag zwischen 19 Uhr und 21 Uhr auf FM4. Weitere Infos auf www.diepresse.com/songderwoche und fm4.ORF.at.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2016)

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