Pereira: „Ich bin knallhart in der Sache!"

Pereira knallhart Sache
Pereira knallhart Sache(c) ORF (Ernst Kainerstorfer)
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Intendant Alexander Pereira ärgert sich über Ermahnungen von Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler - und ortet entscheidende Denkfehler beim Kuratorium, das aber immerhin seine Pläne abgesegnet hat.


Die Presse: Welche Erkenntnisse haben Sie aus Ihrer ersten Festspielsaison gewonnen. Wo lagen die Erfolge, wo lagen die Defizite?
Alexander Pereira: Sven-Eric Bechtolf und ich haben in dieser ersten Festspielsaison vieles in Salzburg neu installiert, was besser gelaufen ist, als ich selbst erwartet habe. Etwa die Ouverture spirituelle: Das ist offenbar etwas, was in der Luft lag und was die Festspiele seit Jahrzehnten hätten machen sollen. Es gibt hier neben der christlichen Tradition immer einen Schwerpunkt, 2013 wird das der Buddhismus sein. Die Reihe wird zeitgleich mit dem „Jedermann" eröffnet werden, der thematisch dazu passt.

Die Ouverture spirituelle soll nicht so besonders ausgelastet gewesen sein: 70 Prozent.
Wer behauptet das? Wir sind deutlich über dem Budget. Die richtige Zahl ist 90 Prozent. Die Reihe hat sich sehr bewährt und wurde vom Publikum sofort angenommen, sowohl musikalisch als auch spirituell. Wir konnten ein neues Publikum gewinnen.

Sie hatten auch einigen Ärger. Zuletzt richtete Ihnen Helga Rabl-Stadler, Präsidentin und kaufmännische Geschäftsführerin des Festivals, in einem Interview aus, Sie mögen weniger über Geld reden und sich nicht zu wichtig nehmen. Wie finden Sie das?
Ja, das war ärgerlich. Ich kann Ihnen nur sagen: Seit ich Salzburger Boden betreten habe, hat sich fast niemand mit mir über Kunst unterhalten wollen. Das Einzige, das die Leute bisher interessiert hat, war, das ist zu viel, das kann man nicht verkaufen, das ist eine Ausweitung, die nicht gewünscht ist. Ständig ist es nur ums Geld gegangen, daher habe ich mit Geld geantwortet, weil ich mich damit so gut auskenne wie diese Skeptiker.

Ist es nicht verständlich für Sie, dass die Politiker sich fürchten, dass Sie ihnen über den Kopf wachsen mit Ihren großen Plänen?
Ich strebe nicht aus Spaß eine Ausweitung der Festspiele an. Es hat keinen Sinn, das Festival am 31. August, einem Freitag, zu beenden, wenn die Leute übers Wochenende bleiben wollen. Man sagte, die Gastronomie schaffe das nicht, weil sie zu erschöpft sei, um am 1. und 2. September noch zu arbeiten! Ich betone noch einmal: Ich expandiere nicht um des Expandierens willen, sondern nur, wenn es künstlerische Gründe gibt wie eben die Ouverture spirituelle. Ich werde nicht Bauchtanzen und Ringelspiele veranstalten, um die Festspiele zu verlängern.

Sind Sie desillusioniert?
Nein, ich bin überhaupt nicht desillusioniert. Ich bin nur knallhart in der Sache. Ich trage gerne Verantwortung und habe diese für die Salzburger Festspiele übernommen, damit das Festival in Zukunft neben dem künstlerischen Erfolg auch ein gesichertes finanzielles Auskommen hat.

Sie haben kurz vor Festivalbeginn mit Rücktritt gedroht. Sind Sie mit dem Finanzkompromiss, der dann geschlossen wurde, zufrieden?
Ich mache alles, was ich mir vorgenommen habe, bis auf ein paar Konzerte. Damit kann ich gut leben.

Die Kritiken für Ihre erste Saison waren teilweise herbe Verrisse. Erzürnt oder trifft Sie das?
Da gab es auch so absurde Diskussionen wie, ob man in Salzburg die „Zauberflöte" spielen soll und ob ich es mir nicht zu leicht gemacht habe. Jeder weiß, dass es nichts Riskanteres gibt, als die „Zauberflöte" zu spielen, weil jeder Mensch glaubt, er weiß, wie man das inszenieren und dirigieren soll. Es wäre einfach schön, wenn das Feuilleton mehr Respekt vor dem größten Künstler hätte, den Österreich auf diesem Gebiet hat, statt dass die Kritiker Wadlbeißerei betreiben und fragen, warum wählt er diese Tempi? Harnoncourt hat die Todesnähe Mozarts bei diesem Werk gezeigt. Für mich war diese Aufführung ein unglaubliches Geschenk.

Kritiker sind nur eine Stimme. Die Vorstellungen waren ausverkauft, und Sie bekommen doch sicher Lob vom breiten Publikum für Ihre ersten Festspiele. Warum sind Sie so verdrießlich?
Ich bin nicht verdrießlich. Ich gehe über den Grünmarkt und werde von 30 Leuten angesprochen, die mir für das Programm danken. Ich denke, dass das Publikum in überwältigender Weise bewiesen hat, dass dieses Konzept richtig ist. Wir haben in dieser angeblich so katastrophalen Zeit das Kartenvolumen um 20 Prozent erhöht und dieses verkauft. Wer hätte sich das getraut? Wir haben neue Akzente wie zum Beispiel das Kinderprogramm und die jährlich geplante Opernuraufführung gesetzt und gezeigt, dass sich Salzburg in einer ständigen Erneuerung befindet, eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung der Gesellschaft ist.

Sie waren selbst auch aggressiv. Sie haben die Festspiele als Sanierungsfall bezeichnet, wogegen z. B. Markus Hinterhäuser protestiert hat. Müssen Sie alles vor Ihrer Zeit schlechtmachen?
Es geht um Grundsätzliches. Ich habe mich gegen diese Angstmentalität zur Wehr setzen müssen, die mir entgegengeschlagen ist. Da hieß es, dies und das kann man nicht machen, daran sind schon Gerard Mortier oder Peter Ruzicka gescheitert. Es war ein Spiel, dass man dem Intendanten Projekte weggeschnitten hat. Mit mir kann man das nicht machen! Ich mache meine Projekte und lege auch das Geld dafür auf den Tisch.

In wenigen Jahren sind Sie weg und mit Ihnen die viele Sponsoren. Das wirkt auf Politiker und Kuratorium beunruhigend. In Zürich, wo Sie Opernintendant waren, war es genauso. Die letzte Saison war nicht gut. Es ging bergab.
Niemand in Zürich hat etwas eingewendet, wenn ich sagte, wir machen eine Uraufführung, es werden weniger Karteneinnahmen sein, aber wir haben das Geld dafür gesammelt. Im Gegenteil. Die Leute haben gesagt: Wunderbar! Im Übrigen ist es falsch, dass es in Zürich am Ende bergab gegangen ist. In der Saison 2010/11 wurde ein Gewinn von 280.000 Schweizer Franken erzielt. Die Bilanz 2011/12 wird erst im Dezember veröffentlicht. Ich habe meinem Nachfolger Andreas Homoki ca. sieben Millionen Schweizer Franken an Sponsorgeldern für seine erste Saison hinterlassen. Nur so viel zu den angeblich abgesprungenen Sponsoren.

Die Politiker sind eben vorsichtig.
Man macht einen entscheidenden Denkfehler: Unser Verwaltungsdirektor, Herr Mehrens, hat ausgerechnet, dass das Programm von Markus Hinterhäuser von 2011 im Jahr 2013 um 4,75 Mio Euro mehr kosten würde. Jetzt kann ich zu den Subventionsgebern gehen und sagen: Gebt mir das Geld - das wird nicht passieren. Ich erhöhe also die Kartenpreise um 20 Prozent - das wird ebenfalls unmöglich sein. Nun besuche ich einen Sponsor, einen Generaldirektor. Ich sage zu ihm: Geben Sie mir eine Million Euro mehr für meine Fixkosten - da wird er mich fragen, ob ich nicht bei Trost bin. Ich besuche ihn neuerlich und sage: Antonio Pappano wird „Don Carlo" dirigieren, Peter Stein inszenieren, wir haben diese tolle Besetzung. Jetzt sagt der Generaldirektor: Gut, ich gebe Ihnen 900.000 Euro. Wie kann man einen so einfachen Vorgang nicht verstehen?

Derzeit denken Sie nicht an Rücktritt?
Ich drohe nicht zum Spaß mit Rücktritt. Das habe ich nie getan. Billige Provokation ist mir fremd. Ich habe für die Jahre 2012 und 2013 den Spielplan vom Kuratorium abgesegnet bekommen. Damit gab und gibt man mir die Luft, meine künstlerischen Ideen zu verwirklichen und die finanziellen Probleme in den Griff zu bekommen. Ich freue mich auf die große Herausforderung und die Aufgaben, die Salzburg für mich bringt.

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