Netrebko als Engel in Brittens Plädoyer gegen den Krieg

Netrebko als Engel in Brittens Plädoyer gegen den Krieg
Netrebko als Engel in Brittens Plädoyer gegen den Krieg(c) Michael Größinger
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Antonio Pappano leitete in Salzburg Brittens „War Requiem“. Ian Bostridge sorgte für die ergreifenden Momente.

„Let us sleep now“, mit diesen Worten lassen der deutsche und der englische Soldat die Gräuel des Krieges endlich hinter sich. Sie singen es im „Libera me“ von Benjamin Brittens „War Requiem“. Die Worte überlagern sich mit dem lateinischen Text, gesungen vom Chor samt Sopransolistin sowie Kinderstimmen. So endet dieses Plädoyer gegen den Krieg, das Britten zur Eröffnung der Kathedrale von Coventry 1962 komponiert hat. Der gotische Vorgängerbau war 1940 von den Deutschen zerstört worden.

Britten mischt drei Ebenen, lässt den liturgischen Text von Chor und Sopran singen und von großem Orchester begleiten. Quasi überirdisch kommt der Kinderchor aus der Ferne dazu. Tenor und Bariton interpretieren Lyrik von Wilfred Owen (der die Schrecken des Krieges in eindringlicher Lyrik verarbeitete, bis er 1918 selbst, 25-jährig, in Frankreich fiel), sie werden dabei von einem Kammerorchester unterstützt. Das ergibt, trotz großen Orchesterapparats und üppigen Stimmenaufgebots, ein filigranes, feinst schattiertes und nur gelegentlich wuchtig aufrauschendes Werk, das seine Wirkung bis heute kaum verfehlt.

Requien sind in Salzburg heuer gefragt. Mit ein paar Totenmessen die Festspiellaune zu erden ist wohl eine feine Idee. Mozart, Verdi, jetzt Britten. Nachdem dieser, 1913 geboren, ebenfalls Jahresregent ist, passt sein Werk doppelt gut. Noch dazu, weil man mit Anna Netrebko als Solistin wohl viele Gäste ins Festspielhaus locken konnte, die sonst um das Requiem einen Bogen gemacht hätten. Dass manche das „Let us sleep now“ schon bald zu ernst nahmen, lag womöglich auch daran, dass viele kein Programmheft bekamen, weil die wenigen Exemplare rasch ausverkauft waren . . .

Kinderchor aus der Ferne

Die Netrebko sang ihre Einwürfe jedenfalls schön kraftvoll, während sie im weißen Togakleid und mit Glitzerhaarreif wie ein Engel vor den Massen des Coro dell'Accademia die Santa Cecilia stand. Der beeindruckte weniger, protzte nicht gerade mit Präzision und Homogenität. Der „Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor“ sang unsichtbar aus solcher Ferne, dass er eher schemenhaft hörbar war. Dirigent Antonio Pappano leitete mit großer Energie die braven Musiker seines Orchestra dell'Accademia Nazionale di Santa Cecilia. Dabei kann man sich dieses Britten-Werk durchaus weniger opernhaft und subtiler realisiert vorstellen. Für Tiefenschärfe sorgten die männlichen Solisten: Thomas Hampson demonstrierte seine Liedkompetenz; Ian Bostridge brachte Text und Gesang exzellent in Deckung, lotete Owens Lyrik ergreifend aus. Wie er schließlich die nach oben steigende Gesangslinie zu „Dona nobis pacem“ am Ende des „Agnus dei“ zu gestalten wusste, gab einen tiefen Eindruck von der Wirkkraft des „War Requiem“, die sich sonst an diesem Abend ein wenig rar machte. mus

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2013)

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