Erlesene Interpreten mit reichhaltigem Programm

(c) ISM/Christian Schneider
  • Drucken

Vom Duo bis zum Kammerorchester, von Bach bis Dalbavie, von Frank Peter Zimmermann bis zum Hagen Quartett: die Kammerkonzerte der Salzburger Festspiele.

Vom Duo bis zum Kammerorchester, von Bach bis Dalbavie, von Frank Peter Zimmermann bis zum Hagen Quartett: Die Kammerkonzerte der Salzburger Festspiele versammeln erlesene Interpreten mit einem reichhaltigen Programm.

„. . . ach, wenn wir nur auch clarinetti hätten!“, schrieb ein begeisterter Wolfgang Amadè Mozart im Dezember 1778 aus Mannheim an seinen Vater. Das damals noch recht junge Instrument, eines der ausdrucksvollsten und wendigsten in der Holzbläserfamilie, sollte, gemeinsam mit seinen engen Verwandten Bassetthorn und Bassettklarinette, in den letzten Lebensjahren des Komponisten zu einem seiner Favoriten werden: Für den Virtuosen Anton Stadler schuf Mozart nicht nur das berühmte Konzert und die obligaten Soli in „La clemenza di Tito“, sondern auch ein herrliches Quintett für Klarinette und Streichquartett, das erste Werk der Musikgeschichte dieser Besetzung, wunderbar geschmeidig und von heiterer Sanglichkeit. 102 Jahre später schwärmte Johannes Brahms seiner Freundin Clara Schumann brieflich aus Meiningen vor: „Man kann nicht schöner Klarinette blasen, als der hiesige Mühlfeld tut“ – und schrieb für Richard von Mühlfeld, einen Solisten des herzoglichen Hoforchesters, u. a. ebenfalls ein Klarinettenquintett, in dem er voll elegischer Innigkeit Rückschau hält. Diese beiden Werke zählen wegen ihrer Ausdruckskraft und kompositorischen Ökonomie zu den vollendetsten, herrlichsten Beispielen der Kammermusik überhaupt. Bei den Salzburger Festspielen sind sie beide zu hören – und so, wie bei Mozart und bei Brahms gleichermaßen jeweils ein Thema mit Variationen das Finale bildet, wandeln die sieben Konzerte im Großen Saal des Mozarteums das Thema der Kammermusik siebenfach ab – ein Thema, das da lauten könnte: Intimität und Kernigkeit, berührender Ausdruck und große Geste in wundervollem Gleichgewicht, kurz: „im kleinsten Punkte die höchste Kraft“, wie Schiller einst gedichtet hat.

Der entsprechende Abend mit dem Hagen Quartett und dem auch als Komponisten erfolgreichen Jörg Widmann an der Klarinette, der unbedingt als Stadler und Mühlfeld unserer Tage gelten darf, bildet quasi das Herzstück der Reihe, die den ganzen August über erlesene Programme mit ebensolchen Interpreten versammelt. Das aus Salzburg stammende Hagen Quartett, seit Jahrzehnten an der internationalen Spitze und laut „Zürcher Zeitung“ gar das „definitiv berühmteste Quartett“, bestreitet dabei als einziges Ensemble zwei Konzerte, nämlich auch den Schlusspunkt: Gemeinsam mit dem Pianisten Kirill Gerstein spielt es das fulminante ungarische, zündende f-Moll-
Klavierquartett op. 34 von Brahms. Gerstein steuert zuvor solo noch dessen selten zu hörende, weil überaus vir-
tuose Paganini-Variationen bei, die Hagens das eingängig-humoristische dritte Schostakowitsch-Quartett – prächtige Musizierlust mit Tiefgang.

Überhaupt bildet ein bunter Wechsel der Besetzungen eine der Maximen des reichhaltigen, Zeiten und Stile umfassenden Programms. Gleich zum Auftakt schwelgt das vielseitige Gringolts Quartett nicht nur in Maurice Ravels einzigem Werk der Gattung und spürt den sensualistischen Zusammenhängen mit dem 2012 entstandenen Quartett von Marc-André Dalbavie nach, sondern huldigt auch mit drei Freunden dem Jahresregenten Richard Strauss: Die ursprünglich geplante und rekonstruierte Septettfassung seiner wehmütig-schönen „Metamorphosen“ erinnert an die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs, vor der der alte Komponist nicht länger die Augen verschließen konnte.

Darüber geht der Cellist Steven Isserlis noch hinaus, wenn er mit dem Geiger Joshua Bell und weiteren Kollegen einen ganzen Abend lang „Music in the Shadow of War“ präsentiert, genauer gesagt: eine Auswahl von Werken, die während des Ersten Weltkriegs komponiert wurden, in dem vor 100 Jahren die alte Welt unterzugehen begann. Der Bogen spannt sich da vom unverblümt chauvinistisch eingestellten Claude Debussy über seinen noblen Landsmann Gabriel Fauré, der sich nicht an einem Boykott deutscher Musik beteiligen wollte, Igor Strawinsky, der 1914 gerade noch in seine Schweizer Wahlheimat hatte zurückkehren können, bevor sich kriegsbedingt die Grenzen schlossen, sowie den in Ungarn seine Volksmusikforschung kompositorisch nützenden Zoltán Kodály bis hin zu Edward Elgar, der im Sommer 1918 in der „splendid isolation“ seines Landsitzes Brinkwell in Sussex ein episch breites, intensives Klavierquintett komponierte, das von der dortigen Natur und mit ihr verbundenen Sagen inspiriert sein soll: herrliche Musik als Flucht vor den Gräueln der Realität.

Eine Schar großartiger Musiker aus Strauss’ Geburtsstadt trifft hingegen aufeinander, wenn der französische Oboist François Leleux und die georgische Geigerin Lisa Batiashvili sich mit Mitgliedern der Münchner Philharmoniker und des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks zusammentun. Für die beiden international akklamierten Solisten, die auch privat ein Paar sind und in München leben, wurden schon eigens Solo- und auch Doppelkonzerte komponiert, diesmal aber konzentrieren sie sich in trauter Eintracht auf Musik Johann Sebastian Bachs: Violine und Oboe im solistischen Zwiegesang, begleitet von Streichern und Continuo – und kontrapunktiert durch eine Bach-Hommage des jungen Dmitri Schostakowitsch in Oktettform.

Schließlich sind noch zwei Abende Duosonaten für Violine und Klavier gewidmet: Beethovens drei frühe, aber kühne Sonaten op. 12 sowie seine lyrisch-vielschichtige „Frühlingssonate“ op. 24 stehen bei Frank Peter Zimmermann und Christian Zacharias auf dem Programm, jeder für sich seit Jahrzehnten Meister seines Fachs und zusammen ein eingespieltes Team.

Als ein solches gelten auch schon die 28-jährige norwegische Geigerin Vilde Frang und der vier Jahre ältere, usbekisch-deutsche Pianist Michail Lifits. In Salzburg spielen sie Mozart, Brahms und Richard Strauss, gewiss mit begeistert-begeisterndem Elan.

("Die Presse" Kulturmagazin 7.6.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.