Cinderella im Saturday Night Fever

SALZBURGER PFINGSTFESTSPIELE: FOTOPROBE 'LA CENERENTOLA'
SALZBURGER PFINGSTFESTSPIELE: FOTOPROBE 'LA CENERENTOLA'(c) APA/SALZBURGER FESTSPIELE/SILVIA
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Salzburger Festspiele. In Rossinis „La Cenerentola“ girrt und gurrt Cecilia Bartoli wieder wie schon zu Pfingsten und angelt sich ihren Prinzen, den höhensicheren Javier Camarena.

Einmal hat er einen lichten Moment, dieser Don Magnifico, der daheim in seinem schäbigen Schnellimbiss wie einst Mundl Sackbauer im Ruderleiberl sein Bier zwitschert und leider auch vor häuslicher Gewalt nicht zurückschreckt. Da greift er in die Obstschale und verwendet Früchte als Anschauungsmaterial für seine beiden leiblichen „rampolli femminini“, seine weiblichen Sprösslinge Clorinda und Tisbe: eine vermutlich etwas saure Orange für die eine, für die andere jedoch eine Ananas.

Innere und äußere Ungenießbarkeit betreffend sind jedenfalls beide Prolotussis, die er so gern unter die Haube bringen möchte, nicht weit vom Stamm gefallen. Und wenn zuletzt die so lang unterdrückte Stieftochter und -schwester, das Aschenbrödel Angelina, zwar zu Koloraturgirlanden von Verzeihen gurrt, aber dennoch für Gerechtigkeit sorgt – die nutzlose Verwandtschaft muss kollektiv in Gummihandschuhe schlüpfen und den Boden waschen –, hat sie Lacher und Sympathien auf ihrer Seite – zumal es sich um das Energiebündel Cecilia Bartoli handelt.

Vereinzelte Schlaglichter prägen das Opernprogramm der Salzburger Festspiele 2014: Mit „Don Giovanni“ wird ein weiterer Da-Ponte-Zyklus fortgeführt, mit dem „Rosenkavalier“ das Strauss-Jahr gefeiert, Dalbavies „Charlotte Salomon“ kam zu Uraufführungsehren, Schuberts „Fierrabras“ erklingt als unterschätzte Rarität und auch ein merkwürdiger konzertanter „Tristan“-Torso unter Barenboim war angesetzt.

Dazu gesellt sich heuer ein ungewöhnlicher Belcanto-Schwerpunkt: Vor den musealen „Trovatore“, in dem mittlerweile Artur Ruciński statt Domingo als Luna auftritt, reihen sich, historisch gesehen, Werke von Rossini und Donizetti ein. Denn am Vorabend der ersten von zwei konzertanten Aufführungen von „La Favorite“ (mit Elīna Garanča und Juan Diego Flórez) kehrte auch der Erfolg der Pfingstfestspiele, „La Cenerentola, zurück.

Ein Springinkerl als Liebesgeist

Regisseur Damiano Michieletto, zuletzt hier für „Bohème“ und „Falstaff“ verantwortlich, verlegte die mit allerlei Gags und Pointen angereicherte Handlung in die Gegenwart, rückte sie aber zugleich wieder in die Nähe eines Märchens, obwohl bei Rossini bewusst alle Zauberelemente aus der Geschichte getilgt sind. Alidoro springinkerlt demnach als weiß gewandeter, himmlischer Liebesgeist über die Bühne und wird den handelnden Personen erst sichtbar, wenn er in wechselnden Verkleidungen direkt eingreift: als Bettler, Nachrichtensprecher, Briefträger, Securitymann und Poltergeist. Dass Ugo Guagliardo dabei nur einen etwas unfokussiert-stumpfen Bass einsetzen kann, fügt sich freilich ins mittelmäßige sängerische Niveau, mit dem man sich abseits der Hauptpartien zu begnügen hat: Auch der verdiente Enzo Capuano ist ein Buffo mit schon etwas reduzierten vokalen Kräften, und seine Bühnentöchter Lynette Tapia und Hilary Summers funktionieren vor allem als Comedy-Duo.

Immerhin weiß Nicola Alaimo aus nur näherungsweise ausgeführten Verzierungen komisches Kapital zu schlagen und begeistert als vom Saturday Night Fever ergriffener Dandini mit seiner Travolta-Parodie. Prinz Don Ramiro tritt hier als umschwärmter Popstar auf: ideal für den extrovertiert selbstsicheren, mit strahlenden Spitzentönen bis hinauf zum D prunkenden Javier Camarena.

Dass es allerdings eine Weile gedauert hat, bis die bejubelte Aufführung prickeln wollte, lag auch am Ensemble Matheus unter dem impulsiv drängenden Jean-Christophe Spinosi: Etliche Continuo-Pointen erregten zwar Heiterkeit, doch fanden im recht karg tönenden Orchester beileibe nicht alle instrumentalen Details prompt an ihren Platz: War die Bühne manchmal von Ideen überflutet, regierte im Graben Klang-Minimalismus.

www.Restkarten für 23., 26., 29. und 31. August.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2014)

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