Ein Kraftschauspieler als Jedermann sagt Ade

Ein Schauvergnügen und ein Ritual für Festspielbesucher: der Salzburger „Jedermann“. Cornelius Obonya (Mitte) spielt ihn heuer zum letzten Mal. Links: die neue Buhlschaft (Miriam Fussenegger).
Ein Schauvergnügen und ein Ritual für Festspielbesucher: der Salzburger „Jedermann“. Cornelius Obonya (Mitte) spielt ihn heuer zum letzten Mal. Links: die neue Buhlschaft (Miriam Fussenegger).(c) APA/BARBARA GINDL
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Der Wettergott war übellaunig. Das Publikum belohnte "Jedermann" im Festspielhaus mit Standing Ovations. Cornelius Obonya spielt heuer die letzte Saison den reichen Mann. Die neue Buhlschaft gefällt vor allem optisch.

Pünktlich zur „Jedermann“–Premiere Samstagabend im Großen Festspielhaus in Salzburg prasselte der fast schon obligate Wolkenbruch nieder. Eine bessere Werbung für die Religion als „Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ gibt es – mit Ausnahme der Passionsspiele – kaum. Und die Inszenierung von Brian Mertes und Julian Crouch passt in einen geschlossenen Raum fast ebenso wie auf den Domplatz, wenn sie auch dort natürlich eindrucksvoller wirkt. Die heurigen Neubesetzungen sind nur mittelmäßig glückhaft. Miriam Fussenegger ist wie Brigitte Hobmeier eine sehr attraktive und bewegliche Buhlschaft, die emanzipatorische Grandezza ihrer Vorgängerin fehlt ihr. Das erotische Getändel zwischen ihr und Jedermann sieht mehr nach Handgemenge als nach Leidenschaft aus. Die etwas schematische Figur der Buhlschaft scheint Fussenegger ebenso fremd zu sein wie Birgit Minichmayr.

Neue Rollen für Obonya an der Burg

David Bennents Mammon, ein hochdekorierter Herr im Frack aus dem Establishment der Allegorien, spricht mit schneidender Stimme. Jürgen Tarrach wirkte gröber und gemeiner in dieser Rolle. Immerhin: ein Kontrast. Eva Herzig gibt Schuldknechts Weib sanfter und ungleich weniger wütend bis ins Mark als Katharina Stemberger, die allen Abscheu über die ungerechte Welt an sich in die wenigen Worte dieser Figur legte.

Cornelius Obonya ist jetzt mit 47 näher dran am 50-jährigen Junggesellen Jedermann, der über dem Geld-und Partymachen die psychische Altersvorsorge vergessen hat. Die Buhlschaft macht ihm zwar vor, dass sie immer für ihn da sein wird. Aber auch ohne den Schock, der Jedermann sogleich ins Jenseits entführt, ist diesem Herren klar, dass er nicht ewig den Lebemann spielen kann. Sein krampfhaftes Lachen, seine auftrumpfende Fröhlichkeit, seine zynische Beredsamkeit lassen ahnen, dass unter der intakten Oberfläche bereits kräftig Sorgen und Bangigkeit brodeln. Obonya ist ein unglaublicher Kraftschauspieler – und bereits in der Vorbereitung für seine nächste große Rolle.

Ab September spielt er unter der Regie seiner Frau Carolin Pienkos und an der Seite seiner Mutter Elisabeth Orth im Akademietheater den Feldherrn in Shakespeares „Coriolan“. Vielleicht warten noch andere große klassische Rollen auf Obonya in der Burg. Als Caligula war er großartig. Als Jedermann wirkt er in seiner Selbstgewissheit zu forciert, er gewinnt im Abstieg, erscheint aber insgesamt zu kühl und distanziert – im Unterschied zu Großvater Attila Hörbiger, aber natürlich war die Zeit anders und der damalige Schauspielstil rückhaltlos expressiver.

Viel Show, wenig Spiritualität

Am Sonntag gab Obonya bekannt, dass nach vier Spielzeiten heuer sein letztes Jahr als Jedermann sein werde. Sven-Eric Bechtolf ist nur noch heuer künstlerischer Leiter der Festspiele, 2017 wird Markus Hinterhäuser Intendant, und dieser wolle wohl neue Akzente setzen, so Obonya. „Es ist gut, genau dann aufzuhören, wenn es fein ist.“ Bechtolf lobte Obonya, er sei ein Schauspieler „ohne Zicken und divaeske Anwandlungen“. Bis 28. August hat Obonya noch zwölf Vorstellungen. Weiterhin erfreuen im „Jedermann“ Peter Lohmeyer (Tod), Christoph Franken (Teufel) und Julia Gschnitzer (Mutter).

„Jedermann“ hat sich vom relativ statischen geistlichen Spiel zum heftigen Körpertheater entwickelt, das tolle Fotos hervorbringt. Die Inszenierung mit ihrer Prozession zu Beginn, dem alten Salzburg en miniature und den Teufelsmasken ist ein Show- und Schauvergnügen, das man immer wieder gern sieht. Doch könnte der „Jedermann“ weniger kunstvolle und etwas mehr zu Herzen gehende Spiritualität vertragen. Das Spiel wird immer schneller, virtuoser, aber die Aura leidet. Die Standing Ovations bei der Premiere waren dennoch wohlverdient.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2016)

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