Sir Rogers fliegender Zirkus: Witz und Esprit im Mozarteum

Roger Norrington
Roger Norrington(c) imago/Pixsell (imago stock&people)
  • Drucken

Roger Norrington und die Camerata Salzburg mit Haydn und Strawinsky – und einem Hauch von Monty Python.

Ist das typisch britischer Humor – oder einfach Sir Roger, wie er leibt und lebt? Zu Beginn wehte beim letzten Festspielkonzert mit der Camerata Salzburg gar ein Hauch von Monty Python durch den Saal. Der 83-jährige Roger Norrington, liebenswert eigenwilliger Grandseigneur der historischen Aufführungspraxis, erklomm das Podium, landet im Bürodrehsessel, wendete sich zum belustigten Publikum, drehte sich zurück – und plötzlich schien er perplex, ein Orchester vor sich zu haben. Was bleibt einem da anderes übrig, als den Einsatz zu geben? So startete also schon Haydns Symphonie Nr. 87 mit einer Pointe – und gerade die Pointen waren es, die Norrington den ganzen Abend über mit diebischer Freude servieren sollte. Im Stirnsatz des genannten Werks etwa die lange Generalpause und das Pianissimo, das zur Reprise führt, später das markant aufstampfende Menuett, im Finale die überraschende Fermate nach dem ersten Forte.

Zubin Mehta hat einmal erzählt, dass sich Josef Krips schon mit dem Schlussakkord von Schuberts großer C-Dur-Symphonie dem Publikum zugewendet habe: ein spezieller Fall von musikalischem Umkehrschwung. Norrington tat dies nun mit verschmitzter Miene nach jedem Haydn-Satz, provozierte und lenkte damit nicht nur einen seinerzeit selbstverständlichen Applaus, sondern verstärkte das, worum es gerade Haydn immer gegangen war: um unverstellte Kommunikation.

So gab es auch gesonderten Dank an die Bläsersolisten, die stehend hinter den Streichern postiert waren. Ihr bei Haydn bewiesener konzertanter Musiziergeist setzte sich in Strawinskys „Danses concertantes“ fort, einem umfangreichen Sammelsurium zirkusartiger Szenen mit grimassierenden oder schmeichelnden musikalischen Charakteren, rhythmischen Verschrobenheiten und mal deftigen, mal delikaten Effekten: Da wurde manch kesser Hüftschwung Klang, der im „Dumbarton Oaks“-Concerto sein Echo fand

Zum Ausklang eine von Haydns größten Symphonien, die 101., wegen des in Terzen tickenden Begleitrhythmus im Andante „Die Uhr“ genannt. Bei kaum einem Dirigenten scheint die Zeit so hurtig zu verrinnen wie bei Sir Roger, und selten fliegt die dazu ertönende Melodie so schwerelos darüber. Manch nadelspitz kecke Vorschlagsfigur ließ geradezu an ein Federchen denken, das aus dem Mechanismus herausspringt – eine Delikatesse, die bei etlichen Tuttistellen, etwa den knatternden Achtelnoten im ersten Satz, fast über Gebühr kontrastiert wurde. Herzliche Begeisterung. (wawe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.