Tex Rubinowitz: „Gott sei diesen Verlierern gnädig“

AUSSTELLUNG VON TEX RUBINOWITZ: ´ THE NUL-POINTERS´
AUSSTELLUNG VON TEX RUBINOWITZ: ´ THE NUL-POINTERS´(c) APA (HERBERT NEUBAUER)
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Der Karikaturist und Autor Tex Rubinowitz ehrt in einer Ausstellung im Leopold-Museum jene Teilnehmer des Song Contest, die mit null Punkten nach Hause fuhren.

Zum 60. Mal wird der Eurovision Song Contest heuer ausgetragen, 59 Gewinner wurden also bisher gekürt – und es wäre hochgradig übertrieben, zu behaupten, der Sieg habe ihnen allen ewigen Ruhm gesichert, an so manchen Gewinner erinnert sich heute kaum jemand.
An wen man sich aber – gemeinhin – noch viel weniger erinnert, sind jene Teilnehmer, die als Letztgereihte, schlimmer noch, mit null Punkten in ihre Länder zurückkehrten. 34 sind es an der Zahl. Der Autor und Zeichner Tex Rubinowitz zollt ihnen nun „späte Wertschätzung“: Für seine Schau „The Nul-Pointers“, ab heute im Wiener Leopold-Museum zu sehen, hat er jeden einzelnen dieser Verlierer auf eine Holztafel gemalt.
Damit versuche er eine „Rehabilitierung der zufälligen Verlierer“, denn wirklich dafür konnten die 34 Unglücklichen nichts, sagt er: „Wenn es Sieger gibt, muss es auch Verlierer geben.“ Und die würden den Bachmann-Preisträger ohnehin mehr interessieren als die Gewinner: „Ich habe ein Problem mit Siegertypen, mit Ehrgeiz. Ich hatte in der Schulzeit sieben Fünfer.“

Demütigung ist in Österreich üblich

1962 bis 1965 gab es gleich jeweils vier Teilnehmer, die ohne Punkte nach Hause fuhren. Seit 1975 gibt es das aktuelle Zwölf-Punkte-System, den letzten Nuller fuhr 2003 das britische Duo Jemini ein. Rubinowitz hat sie alle in zwei Tagen gemalt, „ich mache alles schnell“, sagt er. In chronologischer Reihenfolge hängen sie nun da, überkopfhoch – man sieht quasi hinauf zu jenen, die einst am Boden waren – und mit krakeligen Beschreibungen, die Rubinowitz mit Bleistift auf die Wand gekritzelt hat. Die Holztafeln hat ihm der Museumstischler aus alten Platten zurechtgesägt, auf Rubinowitz' Anweisung hin extra ein bisschen windschief. Wie Votivgaben sollen die Bilder wirken, erklärt er – das sind jene Tafeln, auf die die Menschen in alten Zeiten ihre Notsituation aufmalen ließen, um dann in der Kirche Gott um Gnade zu bitten. „Gott sei diesen Verlierern gnädig – so könnte man das interpretieren“, sagt Rubinowitz.

Wenig Gnade hätten die österreichischen Medien mit dem ehemaligen Sängerknaben Thomas Forstner gehabt, der 1989 noch den fünften Platz erklommen hatte, 1991 dann aber in Rom mit dem Lied „Venedig im Regen“ scheiterte. Zurück in Österreich wurde er mit Verachtung gestraft. „Österreich hat ja eine ganz besondere Qualität des Hasses“, sagt der aus Hannover stammende Wahl-Wiener Rubinowitz und führt gleich ein Beispiel für den gütigen Umgang mit Verlierern an: Der Norweger Jahn Teigen, 1978 Letzter mit null Punkten, sei bei seiner Rückkehr „nicht gedemütigt, wie es in Österreich üblich ist, sondern getröstet“ worden. „Der ist immer noch präsent in Norwegen, während Thomas Forstner verschwunden ist.“
Verschwinden tut – zumindest bildlich – auch der Österreicher Wilfried, einst kurzzeitiger EAV-Sänger und Interpret von Hits wie „Ziwui Ziwui“. Er erreichte 1988 mit null Punkten den 21. Platz. „Ich habe ihn zuerst realistischer gemalt“, sagt Rubinowitz, doch Wilfried wolle mit dem Song Contest nichts mehr zu tun haben, also verschwimmt die Farbe, jetzt ist er nur unscharf zu erkennen.

Ein dreckiges Leintuch für Finnland

Das Bild vom Verlierer daneben ist auch verwischt, das sei aber keine Absicht gewesen, sondern einfach zu viel Öl. „Ich bin ja kein richtiger Maler“, sagt Rubinowitz. Dabei wäre er fast einer geworden: In den 1980er-Jahren wurde er auf der Angewandten aufgenommen, brach das Studium aber nach einer Woche wieder ab, um fortan Karikaturen zu zeichnen. Hin und wieder griff er dennoch zum Pinsel: 2004 etwa gestaltete er eine Ausstellung für eine Wiener Galerie. Weil Elfriede Jelinek gerade den Literaturnobelpreis gewonnen hatte, bildete er auch sie ab – nackt, in einem Martini-Glas sitzend. „Das ist das Unfeministischste, was man machen kann. Aber ich glaube, sie hätte den Witz verstanden“, sagt Rubinowitz.

Die Jelinek-Bilder wurden sofort verkauft – an eine Wiener Behörde. Als die Schriftstellerin persönlich ein weiteres Bild für sich bestellte, war es ihm plötzlich unangenehm, sie nackt zu malen, also bildete er nur ihr Gesicht ab, wobei das Kinn wohl zu massig ausfiel. Sie hat sich nie mehr gemeldet. „Das ist die Geschichte, wie ich eine Literaturnobelpreisträgerin zum Schweigen gebracht habe.“
Zurück ins Leopold-Museum: Dort hängt, im Vorzimmer der eigentlichen Schau, Rubinowitz' ungewaschenes Leintuch mit der finnischen Flagge drauf. Es soll eine Hommage an Tracey Emin sein, die im Stockwerk darüber ausgestellt ist und mit ihrem ungemachten Bett berühmt wurde. Und eine Hommage an Finnland: Die finnische Punkband Pertti Kurikan Nimipäivät, die aus Musikern mit Downsyndrom besteht, werde heuer nämlich gewinnen, wettet Rubinowitz. Und mit seinen Prognosen ist er bis jetzt fast immer richtig gelegen. Ganz uninteressiert ist er, was die Sieger betrifft, ja doch nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2015)

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