Das "Royal Baby" und der goldene Käfig

Britain's Prince William and his wife Catherine, Duchess of Cambridge appear with their baby son, as they stand outside the Lindo Wing of St Mary's Hospital, in central London
Britain's Prince William and his wife Catherine, Duchess of Cambridge appear with their baby son, as they stand outside the Lindo Wing of St Mary's Hospital, in central LondonREUTERS
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Das Royal Baby ist im wahrsten Sinn des Wortes mit dem goldenen Löffel im Mund geboren worden. Aber sein Weg ist millimetergenau vorgezeichnet.

[London] In einer der schönsten Szenen des Films „About a Boy“ nach dem Roman von Nick Hornby sehen wir Hauptfigur Will (Hugh Grant) mit seinem zwölfjährigen Freund Marcus im Londoner Regents Park Enten füttern. Während die beiden ein tiefsinniges Männergespräch führen, werden sie immer ausgelassener und übermütiger, bis Marcus schließlich ein Tier am Kopf trifft: „Ich glaube, ich habe eine Ente getötet“, sagt er – und beide beginnen hysterisch zu lachen.

Derartig unverantwortlicher Leichtsinn wird dem neuen Sohn der britischen Königsfamilie wohl für immer verwehrt bleiben (zumindest offiziell). Vom ersten öffentlichen Auftritt in den Armen seiner Eltern nach der Geburt vor den Kameras der Weltpresse, muß sich der kleine Prinz auf das harte Dasein eines Lebens im Fokus der Öffentlichkeit einstellen. Wie der Zirkus um seine Geburt zeigt, ist das Interesse weltweit – und unersättlich. „Eure Monarchie, das ist eben das Wahre, alles andere ist dagegen nur ein Abklatsch“, sagte ein spanischer Reporter gestern als Begründung.

Erster „Auftritt“ um 19.14 Uhr

Diese Hysterie war gestern ungebrochen, denn die Weltpresse wartete auf die erste Gelegenheit, das Neugeborene zu Gesicht zu bekommen. Erst um 19.14 Uhr abend traten William, Kate und das Baby vor die Presse. Unsicher, müde und glücklich: Es ist ein ganz spezieller Moment. William ergänzte: „Am Namen arbeiten wir noch.“ In den Wettbüros liegen George und James, traditionelle Königsnamen, voran.

Von dem Neugeborenen war zunächst kaum etwas zu sehen, auch wenn sich ungezählte Kameralinsen darauf richteten. Nichts desto weniger schafften es die Fotografen doch ein Bild von dem kleinen Buben zu schießen. Das Baby bewegte seine Finger, sein Kopf war unverhüllt. „Zum Glück schaut er ihr ähnlich“, scherzte William. Kate widersprach lachend. William, der schon die erste Windel gewechselt hatte, sagte noch: „Er ist ein großer Junge, ganz schön schwer.“ Der Kleine schien sich an dem Blitzlichtgewitter nicht zu stören. Nach dem kurzen Auftritt fuhren die drei in Richtung Kensington Palast davon. William saß selbst am Steuer. Unterdessen gingen die ersten Traumbilder der jungen königlichen Familie um die Welt.



Im Laufe des Nachmittags hatten die Großeltern ihren Enkel, der an die dritte Stelle der britischen Thronfolge rückt, im St. Mary's Hospital besucht. Kates Eltern Carole und Michael Middleton kamen am Nachmittag mit einem Taxi vor der Londoner Klinik an. Die Middletons lächelten kurz in die Menschenmenge, bevor sie hineingingen und verbrachten etwa eine Stunde im Krankenhaus. "Ein wunderschönes Kind", flötete Kates Mutter. "Marvellous", grinste entspannt Prinz Charles beim Verlassen der Klinik, der danach an der Reihe war. Zuvor war der bei einem öffentlichen Auftritt als "Opa Charles" angesprochen worden. Seine königliche Hoheit kicherte vergnügt. Schon in der ersten Stellungsnahme hatte er mitgeteilt, er freue sich sein erstes Enkelkind kennenzulernen.

Mit 41 Salutschüssen wurde in London die Geburt gefeiert und weltweit übertragen. Zugleich trafen aus der ganzen Welt Glückwünsche ein. Während US-Präsident Barack Obama die Nase vorn hatte, zeigten sich vor allem Commonwealth-Staaten besonders erfreut (siehe Artikel unten). Mitglieder der königlichen Familie schlossen sich im Lauf des Tages den Gratulationen der Queen an, die sich schon Montagabend „delighted“ gezeigt hatte. Ein Besuch der Königin im Krankenhaus wurde aus Sicherheitsgründen ausgeschlossen. Sowohl vor dem Krankenhaus im Westlondoner Bezirk Paddington als auch vor dem Buckingham Palace fanden sich gestern wieder hunderte Schaulustige ein – vor allem Touristen und Journalisten.

Aufwachsen ohne Kindermädchen

Die ständige Beobachtung durch die Medien ist aber nicht die einzige Herausforderung, vor der Seine (vorerst noch unbenamste) Königliche Hoheit stehen wird. Tradition und Zeremoniell lassen kaum einen Spielraum zum Atmen, insbesondere für einen Erstgeborenen. Noch wird spekuliert, ob sich Mutter Kate damit durchsetzt, auf ein Ganztagskindermädchen zu verzichten. Doch dann ist der Weg ihres Kindes in jedem Fall vorgezeichnet: Besuch einer Privatschule, Studium an einer Eliteuniversität und schließlich Militärakademie Sandhurst – seit Generationen ist das der typische Weg eines männlichen Royals, von denen lange keiner mehr durch akademische Exzellenz aufgefallen ist. Papa William und Opa Charles haben denselben Weg beschritten.
Dazu kommt ab Mitte 20 eine wachsende Zahl offizieller Auftritte. Kein Nachkomme wird wohl jemals jene 30.000 Engagements erreichen, die Queen Elizabeth II. nach Berechnung des „Royal Watchers“ Tim O'Donovan in ihrer 60-jährigen Regentschaft bisher absolviert hat. „Stur lächeln und winken“, heißt das Motto. Dazu kommt die Patronage in hunderten Wohlfahrtseinrichtungen (Rekordhalterin ist hier die Queen Mum mit mehr als 600 Ehrenvorsitzenden).

Familie Windsor: „Eisige Atmosphäre“

Dass der neue Prinz – mit der Geburt am Montag hat das Land erstmals seit 1894 drei lebende Thronfolger gleichzeitig – im wahrsten Sinne des Wortes mit einem goldenen Löffel geboren wurde, macht die Aufgabe zumindest bequemer.
Die Queen allein nennt sieben Paläste ihr Eigen, das Vermögen des Königshauses wird (zählt man Immobilien, Land- und Kunstbesitz dazu – selbst die Enten im Regents Park gehören dem britischen Monarchen) auf bis zu 4,5 Milliarden Pfund geschätzt. Und damit das so bleibt, gab der britische Steuerzahler der Königsfamilie allein im Vorjahr 33,4 Millionen Pfund für „laufende Kosten im Zusammenhang mit Staatsaufgaben“. Papa Charles alimentiert Prinz William und Familie sowie Prinz Harry mit rund einer Million Pfund im Jahr.

Wie kalt und grausam aber das Königshaus ist, das von den Familienmitgliedern nicht zufällig „Die Firma“ genannt wird, hat ausgerechnet Prinz Charles der Welt erzählt. Als er in einer 1984 erschienenen autorisierten Biografie freimütig von einer „uninteressierten Mutter“ und einem „übermächtigen Vater“ und der „eisigen Atmosphäre“ seiner Kindheit erzählte, löste er beinahe eine Staatskrise aus. Die Queen, die eisernes Pflichtbewusstsein über alles stellt, wird diese Worte nie vergessen haben. Kein Wunder, dass Charles mit seinen bald 65 Jahren immer noch auf die Thronübernahme wartet.

Am Ende des Weges steht auch für das Neugeborene eben dieser Thron. Seine Bedeutung ist eher symbolisch als real. Der britische Monarch „darf beraten, ermutigen und warnen“, schrieb der Verfassungsrechtler Walter Bagehot. Queen Elizabeth musste dem Zerfall des British Empire tatenlos zusehen. Wenn Schottland im nächsten Jahr für die Unabhängigkeit stimmt, kann die Königin nichts machen. Dennoch steht die Monarchie für Fortbestand: „Ihre Hauptaufgabe ist es, sich fortzupflanzen und herumzuhängen, ohne allzu großen Schaden anzurichten“, sagt der Historiker Dan Jones.

Gescheiterte royale Rebellen

Der Biograf Christopher Wilson sprach jedoch von „einer Erneuerung des Königshauses“. Die Prinzen William und Harry gemeinsam mit Kate würden „die goldenen Tage des Königshauses neu erfinden und entzünden“. William und Kate haben mehrfach erklärt, ihr Kind „so normal wie möglich“ aufziehen zu wollen. Obwohl er bis heute die Medien für den Tod seiner Mutter Diana, den er als 15-Jähriger verkraften musste, verantwortlich macht, weiß er professionell und fehlerlos mit ihnen umzugehen. Ebenso makellos fügen er und Kate sich in das höfische Protokoll.

Die Royals haben aber immer wieder auch Rebellen erlebt: König Edward VIII. zum Beispiel oder Prinzessin Margaret, Prinzessin Diana, Prinz Harry. Die meisten von ihnen sind jedoch an den Stäben des goldenen Käfigs gescheitert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2013)

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