Der Partner geht, das Beuteschema bleibt

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Gegensätze ziehen sich gar nicht so an. Viel eher gilt bei der Suche nach dem richtigen Partner die Vorgabe, dass man mit ihm möglichst viel gemeinsam haben sollte.

Petra wundert sich manchmal schon. „Wenn ich mir meinen Freundeskreis so anschaue, war irgendwie jeder mit jedem schon einmal zusammen. Das ist ein bissl wie in der Fernsehserie Beverly Hills.“ Sie selbst nimmt sich da gar nicht aus. Nachdem sie zwei Jahre lang mit Georg zusammen war, hat sie plötzlich Christian, ebenfalls Teil der Clique, von einer ganz anderen Seite kennengelernt. „Das war sicher durch den Freundeskreis leichter. Irgendwann hab ich mir gedacht, der würde doch viel besser zu mir passen.“

Damit ist sie nicht allein. Wir suchen uns immer wieder ähnliche Partner: Der Ex ist dem aktuellen Lebensabschnittspartner oft erschreckend ähnlich – ein Phänomen, das sich in der Welt der Prominenten unter anderem an den Partnerinnen von Dieter Bohlen, die durchwegs dunkelhäutig und rassig wirken, ablesen lässt. Und auch Carla Bruni sieht Cécilia, der Exfrau ihres Mannes Nicolas Sarkozy zum Verwechseln ähnlich. Gleichzeitig tendieren wir aber auch immer wieder zu Partnern, die uns selbst besonders ähnlich sind – weniger vom Aussehen als von der Lebenswelt.

Sind wir einfach Gewohnheitstiere? Oder nur zu faul, etwas Neues auszuprobieren und nehmen einfach, was sich gerade anbietet?


Vertrauen und Sicherheit. „Wir suchen das Vertraute. Und das lässt sich im Freundeskreis leichter finden, da wir ja auch unseren Freunden vertrauen“, ist Psychotherapeutin Bea Pall überzeugt. Die erste Anlaufstelle für die Partnerwahl ist dennoch nicht der Freundeskreis, sondern das abendliche Ausgehen. Laut einer Studie der Onlinepartneragentur Parship aus dem Jahr 2009 sind 71 Prozent der Befragten davon überzeugt, beim Ausgehen einen Partner zu finden, 67 Prozent suchen bei Freunden und Bekannten nach einem neuen Menschen fürs Leben.

Das Internet hat mit 57 Prozent erstmals den Arbeitsplatz (51 Prozent) von Platz drei verdrängt. Wie lange die Beziehungen halten, geht aus der Studie allerdings nicht hervor. Petra scheint mit ihrer Wahl allerdings zufrieden zu sein. „Man ist ja auch viel mit den Freunden unterwegs. Da kann man den anderen schon genauer beobachten und testen“, meint die 29-Jährige, die nicht glaubt, dass es geklappt hätte, wenn sie Christian in einer Disco begegnet wäre.

Die Testphase dürfte er gut gemeistert haben, immerhin sind die beiden schon seit rund fünf Jahren ein Paar. Sie schätzt vor allem die gemeinsamen Interessen: Beide sind sehr aktiv und unternehmungslustig. Am Wochenende stehen statt Familienbesuchen und „rumhängen“ – wie mit Georg, dem Ex – Ausflüge und Sport am Programm. Auch beruflich sind beide zielstrebig, im Gegensatz zu Georg, dem ewigen Studenten und brotlosen Musiker. Den Partnerwechsel sieht sie unproblematisch, schließlich waren die beiden Männer keine engen Freunde. „Sonst wäre das wohl tabu.“

Petra nennt auch gleich drei Gründe, warum ihre aktuelle Beziehung so begonnen hat und nach wie vor funktioniert: „Weil man sich im Freundeskreis besser kennenlernt, in allen Lebenslagen, weil es so einfach, nah und greifbar ist, und weil man zu 90 Prozent sagen kann, dass innerhalb des Freundeskreises die Grundwerte sehr ähnlich sind, die einem anscheinend wichtig sind.“ Besser ließe sich das auch von Experten kaum erklären.

Paartherapeutin Helga Kernstock-Redl meint dazu: „Freundschaften werden nun mal in der Nachbarschaft, Schule, Arbeit oder bei Hobbys geschlossen, also schon aus einer Gemeinsamkeit bzw. Ähnlichkeit heraus.“ Wir finden Menschen sympathisch, die uns ähnlich sind. Wobei hier weniger die gemeinsamen Eigenschaften zählen als die gemeinsamen Werte.


Der Markt der Beziehungen. Verhaltensforscher und Evolutionsbiologe Karl Grammer sieht das recht pragmatisch: „Das soziale Umfeld und der Zufall spielen bei der Partnerwahl die Hauptrolle. Was wir wählen, hängt stark vom Angebot in der Umgebung ab.“ So könne man nicht davon ausgehen, alle Singles in Wien als potenzielle Partner zur Verfügung zu haben, sondern lediglich rund 20 oder 30 Personen. Grammer vergleicht den Beziehungsmarkt mit jedem anderen Markt, der von Angebot und Nachfrage reguliert wird.

Der Verhaltensforscher arbeitet derzeit an einer groß angelegten Studie, die Menschen auf Partnersuche allerdings wenig Hoffnung machen dürfte. So ließ er 12.000 Menschen bei 195.000 Blind Dates aufeinandertreffen. „Das überraschende Ergebnis ist, dass nach dem zehnten Versuch, die Wahrscheinlichkeit, den oder die Richtige zu finden, gegen null geht.“ Das-selbe Muster gelte auch für Beziehungen. Der Grund dafür, warum meist nichts Besseres nachkommt, liege darin, dass wir unsere Wahlkriterien stets optimieren. Da hilft es nur noch, die eigenen Ansprüche herabzusetzen. Einziger Hoffnungsschimmer: Verhaltensforscher sind an der Menge, dem Durchschnitt interessiert. Jeder Einzelfall sieht anders aus – und es gibt Ausnahmen. Die kuriosesten Ausprägungen von Paaren, die eigentlich überhaupt nicht zusammenpassen, nehmen regelmäßig auf den Sofas von Talkshows Platz.
Aber worauf achten wir nun bei der Partnerwahl? Was ist dran an dem Klischee, dass Männer aufs Äußere achten, während Frauen auf Geld bzw. Status schielen? Ist das heute noch zeitgemäß?

„Bei der Partnerwahl steht für beide Geschlechter eines an erster Stelle: Die Person muss nett, verständnisvoll und verträglich sein. Sonst funktioniert es nicht“, erklärt Grammer. Ist das einmal abgedeckt, folgen aber je nach Geschlecht Unterschiede in der Rangordnung des Wunschzettels. Bei Männern steht die Schönheit an vorderer Stelle, während bei Frauen der Status früher aufgezählt wird. „Das hat sich auch durch moderne Rollenbilder nicht geändert. Die Grundprinzipien sind die gleichen“, sagt der Biologe.


Karriere verändert Vorlieben. Paartherapeutin Bea Pall ist hingegen sehr wohl der Meinung, dass sich die geschlechterspezifischen Vorlieben durch den gesellschaftlichen Wandel minimieren. „Wenn Frauen Karriere machen, rückt für sie der Status des Mannes in den Hintergrund“, meint sie. Pall hat durch ihre jahrelange berufliche Erfahrung den Eindruck, dass sich Paare weg von der Pflichterfüllung – also der Reproduktion – hin zur Selbstverwirklichung als Paar entwickeln. Gemeinschaftswerte und Gefühle gewinnen dabei zunehmend an Bedeutung.


Gleich und gleich. Bleibt also noch die Frage, warum wir uns ähnliche Menschen als Partner suchen? Hat die Volksweisheit „Gegensätze ziehen sich an“ gar keine Berechtigung mehr? Macht nicht gerade der Unterschied das Salz in der Suppe aus? Die Biologie nennt eher die Gemeinsamkeit als Erfolgsfaktor. „Je höher die Übereinstimmung beider Menschen, desto höher der produktive Erfolg, sprich die Kinderanzahl, und desto stabiler die Beziehung“, sagt Grammer. Allerdings darf es auch für die Biologie nicht zu gleich sein – schließlich sind möglichst variable Immunsysteme die beste Voraussetzung dafür, gegen „Parasiten“ gewappnet zu sein. Jenseits von Reproduktion und genetischen Überlegungen findet sich der Einzelfall im Normalfall irgendwo im Spannungsfeld zwischen den beiden Polen ein.

Auch auf psychologischer Seite steht die Suche nach der Gemeinsamkeit im Vordergrund. Wobei Paartherapeutin Bea Pall das nicht so allgemein stehen lassen möchte: „Das hängt stark vom Alter und der Entwicklungsphase ab.“ So sind die Gemeinsamkeiten bei 20-Jährigen noch nicht so stark ausgeprägt, vielmehr kann man sie noch gemeinsam entwickeln. 40-Jährige dagegen wissen meist schon genau, was sie wollen – was die Partnersuche nicht unbedingt einfacher machen muss.

Ist eine Beziehung einmal im Laufen, kann ein gemeinsames Hobby eine wichtige Funktion haben: Trotz Stress und wenig Zeit füreinander hat man so Gelegenheit, gemeinsam Zeit zu verbringen. „Das macht die Sache unkomplizierter“, erklärt Ball. Klingt gut, kann aber auch einen Haken haben. Denn „gemeinsame Interessen können auch schnell zum Konkurrenzkampf führen“, so Ball, „etwa beim Sport“.

Die gewünschten Gemeinsamkeiten mit dem Partner konzentrieren sich auf die positiven und angenehmen Seiten. Die Seiten, die man an sich selbst mag oder gern hätte, sucht man auch beim Partner. Umgekehrt kann man aber die eigenen Schwächen beim Gegenüber noch weniger ausstehen. Das kann das Konfliktpotenzial – das eigentlich durch die als positiv empfundenen Gemeinsamkeiten minimiert wird – wieder erhöhen. Auch hier gilt es, zwischen Konfliktpotenzial und Langeweile den Mittelweg zu finden.


Gefangen in alten Mustern. Und warum schaffen wir es nicht, selbst bei Misserfolgen unser Beuteschema zu ändern? Denn selbst wenn wir wissen, dass wir immer an die Falschen geraten, bleiben wir bei der Partnersuche bei den immer gleichen Mustern. „Weil wir sind, was wir sind, bekommen wir immer die Gleichen. Man muss seinen Marktwert am Beziehungsmarkt kennen“, meint Biologe Grammer. Er stimmt der Psychologin Pall zu, die meint, dass die Herkunftsfamilie eine sehr große Rolle spielt.

Die alten Muster, die man von klein auf beobachtet und aufnimmt, lassen sich nur schwer abschütteln. Nicht zuletzt, weil das unterbewusst passiert. Der Grund für das Festhalten an diesen Mustern liegt in der Vertrautheit. Selbst dann, wenn das Vertraute eher negativ ist. So geraten zum Beispiel Menschen, in deren Herkunftsfamilie ein Elternteil ein Alkoholproblem hatte, oft an einen Partner mit genau demselben Problem.

Eine komplizierte Sache also, zwischen alten Mustern und Wunschvorstellungen das herauszufiltern, was einem guttut. Für den Durchschnitt gilt allerdings: lange zusammen bleiben vor allem die, die sich besonders ähnlich sind. Für Petra und Christian also gute Voraussetzungen – zumindest statistisch gesehen.

Gleich und Gleich

Der Boris-Becker-Effekt
Die Frauen und Freundinnen des Extennisprofis haben vor allem eines gemeinsam – sie entsprechen (fast) alle einem ähnlichen Typ, nämlich schlank, groß und dunkelhäutig. Auch Musiker Dieter Bohlen ist immer wieder mit dunkelhaarigen Frauen liiert, die einander nicht unähnlich sind. Carla Bruni, die Frau des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, muss ebenfalls aushalten, dass sie ihrer Vorgängerin ähnlich schaut.

Psychologie
Abgesehen von Äußerlichkeiten sind potenzielle Partner besonders dann attraktiv, wenn sie dem Suchenden von den Werten her ähnlich sind – und häufig auch aus der gleichen Lebenswelt stammen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2010)

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