Bier macht hungrig, Biertrinker wiegen weniger

Bier macht hungrig Biertrinker
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Bier senkt das Alzheimer-Risiko, das Nervengift Alkohol verschlechtert die Gedächtnisleistung. Bier schützt vor Krebs, das Hopfengetränk fördert die Tumorentstehung. Bier und seine Jekyll&Hyde-Seiten.

Bier macht dick. Biertrinkende Frauen sind schlanker. Bier schützt vor Krebs. Bierkonsum führt zu Krebs. Biergenuss hält das Hirn gesund. Alkohol ist schlecht für die Hirnleistung. Was ist Humbug, was Realität?

„Tatsache ist, dass es mehr als 3000 wissenschaftliche Arbeiten zu Bier und Gesundheit gibt, und das sind durchwegs seriöse Arbeiten“, vermerkt der Grazer Neurologe Manfred Walzl, der sich schon seit Jahren intensiv mit den Effekten des Gerstensaftes auf unsere Gesundheit auseinandersetzt. Eine dieser Arbeiten, die Rotterdam-Studie, hat die Wirkung des Biers auf Alzheimer und Demenz bei 1000 Probanden untersucht. Das Ergebnis, in der renommierten Fachzeitschrift „The Lancet“ publiziert: Mäßiger Biergenuss senkte das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, um 58 Prozent, jenes für eine vaskuläre Demenz um 29 Prozent. Selbst die NAAA in den USA (National Alliance for Action on Alcohol) meint, ein Liter Bier täglich könne die Entstehung von Morbus Alzheimer hintanhalten.

Schon geringe Mengen des Nervengifts Alkohol, täglich zugeführt, verschlechtern die Gedächtnisleistung, kontern andere Wissenschaftler. Dem widerspricht eine japanische Studie mit 12.000 Teilnehmern, die vier Jahre lang beobachtet wurden: Die eine Hälfte trank täglich einen halben Liter (Frauen) bis einen Liter (Männer) Bier, die andere Mineralwasser. „Am Ende kam heraus“, so Walzl, „dass die Biertrinker nicht nur geistig, sondern auch muskulär fitter waren. Bier enthält sehr viel Kalium und das gibt dem Muskel Kraft.“

Stichwort Kalium: Hinsichtlich der Inhaltsstoffe des Biers sind sich die Wissenschaftler einig – viel Mineralstoffe, viele Vitamine, viele Antioxidantien, die ja bekanntlich Arteriosklerose verhindern können. „Ein Liter Bier hat dieselbe Menge an Antioxidantien wie vier bis fünf Stück Obst“, betont Walzl. Das tut freilich auch dem Herzen gut und senkt die Zahl der Herzinfarkte deutlich. Das bestätigt unter anderem auch Ulrich Keil von der Universität Münster am Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin.

Vitaminquelle, Vitaminräuber?

Ein Liter Bier deckt den Tagesbedarf an Magnesium und Kalium zu 30 und den an Phosphor zu 25 Prozent. In einer Arbeit der technischen Universität München wurde unter anderem festgestellt, dass sich die Ansammlung von Mineralien und Spurenelementen im Bier günstig auf Nerven und Muskelkraft auswirkt und dass Magnesium den Herzmuskel stärkt.

Kehrseite der Medaille: Alkohol verbraucht beim Abbau im Körper Vitamine und Mineralstoffe, es ist daher umstritten, ob Bier wirklich zur Zufuhr von Vitaminen und Mineralstoffen beitragen kann.

Nicht ganz geklärt ist auch die Frage, warum mäßig biertrinkende Frauen gegenüber abstinenten Geschlechtsgenossinnen schlanker sind. Das ergab eine tschechische Studie an 1098 Frauen. Auch eine von Wissenschaftlern des Brigham-Frauenkrankenhauses in Boston an 19.000 Frauen über 13 Jahre durchgeführte Studie besagte: Probandinnen, die maßvoll Bier oder Wein konsumierten, litten weniger unter Übergewicht wie jene, die keinen Tropfen Alkohol tranken. Bei Männern fand man diesen Zusammenhang ebenso.

Woher kommt der Bierbauch?

Und der Bierbauch? Bier, vor allem die Bitterstoffe im Hopfen, steigern den Appetit. Bier macht also hungrig und das zusätzlich Gegessene dick. Das Hopfen-Malz-Getränk schlägt indes nicht mit allzu vielen Kalorien zu Buche und Bauche: 200 ml davon haben 76 kcal, dieselbe Menge Apfelsaft 96, Sekt 170 und 200 Gramm fettarmes Joghurt weist 164 kcal auf.

Ein Wort noch zum Hopfen: Seine Inhaltsstoffe sollen auch bei Magenschwäche helfen. Umgekehrt regt Bier die Produktion von Magensäure an. So viel Säure aber, wie Bier hervorbringt, braucht man zur Verdauung einer normalen Mahlzeit nicht, die Überschüsse können die Magenschleimhaut reizen und auf Dauer möglicherweise schädigen.

„Bis vor sieben, acht Jahren hieß es noch, dass Biertrinker häufiger Magenkrebs bekommen, das konnte nun widerlegt werden“, berichtet Walzl. Einer Studie der Universität Toronto an 33.000 Ärzten zufolge schützt das Gebräu bis zu einem gewissen Grad vor Prostatakrebs. „Die Biertrinker unter den Ärzten hatten um 60 Prozent seltener Prostatakrebs-Operationen als die Nichttrinker.“

Erwiesen ist: Das im Hopfen enthaltene Polyphenol Xanthohumol wirkt krebshemmend. Allerdings müsste man dazu rund 30 bis 50 Liter Bier täglich trinken. Und das würde erst recht mit Leberkrebs und zahlreichen anderen Krankheiten enden.

Gerstensaft auf Krankenschein

Aber laut der europäischen Langzeituntersuchung EPIC (European Prospective Investigation of Cancer; 360.000 Probanden), veröffentlicht im „British Medical Journal“, sind schon kleine Mengen regelmäßig konsumierten Alkohols gefährlich und erhöhen das Risiko für Krebs in der Mund- und Rachenhöhle, an den Stimmbändern, in der Speiseröhre, der Leber und im Darm.

Uralt ist das Wissen um Bier als Verhinderer von Nierensteinen. Neueren Datums ist die Studie der Universität Helsinki, die da besagt: Ein halber Liter Bier täglich senkt das Risiko von Nierensteinen um 40 Prozent. In Tschechien und Polen bezahlt die Krankenkasse daher für Patienten mit Nierensteinen Bier auf Krankenschein – freilich nicht auf Dauer.

Dauerhaft hält sich indes das Gerücht, Bier mache müde. „Das stammt noch aus der Zeit, als Bier noch sehr viel Hopfen enthielt und der macht tatsächlich müde“, betont Walzl. Heute würden aber pro 100 Liter Bier im Schnitt nur noch 100 Dekagramm Hopfen zugesetzt, „und das kann gar nicht müde machen, das ist vielmehr eine selbsterfüllende Prophezeiung“.

Auf einen Blick

Zu Bier und Gesundheit gibt es mehr als 3000 wissenschaftliche Arbeiten. So soll mäßiger Bierkonsum das Herzinfarkt- und Alzheimer-Risiko senken. Außerdem haben maßvolle Konsumenten seltener Übergewicht.

Gewarnt wird aber auch vor dem Nervengift Alkohol, das die Gedächtnisleistung verschlechtert und das Krebsrisiko erhöht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2012)

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