Bleispäne statt Pfeffer, Gips im weißen Mehl, Hirn in der Milch

Geschichte. Das Fälschen von Lebensmitteln verfolgt die Menschheit schon seit Jahrtausenden. Ein kleiner Blick in vergangene Zeiten.

Wien/Ku. Das Fälschen von Lebensmitteln ist so alt wie die Menschheit. Oder zumindest fast so alt. Denn ursprünglich sorgte jede Familie oder Sippe für ihre eigene Nahrung, Landwirtschaft (ab der Sesshaftigkeit des Menschen) war reine Subsistenzwirtschaft. Mit zunehmender Arbeitsteilung der sich entwickelnden Gesellschaften änderte sich das, neben die Urproduktion traten Verarbeiter und Händler. Und bald versuchten einzelne, einen Vorteil für sich herauszuholen, indem sie aus minderwertigen Zutaten angeblich hochwertige Produkte kreierten.

Das konnte das Gemeinwesen natürlich nicht zulassen, das älteste erhaltene Gesetz fand sich in Kappadokien: Auf einer Keilschrifttafel aus dem 2. vorchristlichen Jahrtausend findet sich der Satz: „Du sollst das Fett deines Nachbarn nicht vergiften.“ Im Kochbuch des römischer Feinschmeckers Marcus Gavius Apicius (1. Jh. n. Chr.) sind die gängigen Praktiken in der Antike aufgelistet: Kampanischer Grieß erhielt seine weiße Farbe durch den Zusatz von Kreide, Rosenwein wurde ohne Rosen aus Zitronenblättern hergestellt, Linsenmel mit Sand gestreckt, verdorbener Honig mit frischem vermischt. Das Mittelalter hatte an denselben Problemen zu leiden, obwohl die Kontrolle durch das Zunftwesen stark und die Strafen drakonisch waren – von Prangerstehen und Turmhaft bis hin zum Handabhacken und Ertränken (Stichwort: Bäckerschupfen).

Dennoch sind die Geschichtsbücher voll mit schlimmen Dingen: Da wurden etwa Bleispäne in Pfeffer, Steinstaub in Mehl oder zerriebene Transportkisten in Zimt gemischt. Frisches Grün wurde durch (giftiges) Kupfer vorgetäuscht, Milch wurde mit Wasser gepanscht und mit Stärke, Hirn oder Hammelfett wieder auf die gewünschte Konsistenz gebracht. Die heute – zumindest in Europa – strenge Lebensmittelüberwachung hat viele dieser alten gesundheitsschädlichen Praktiken beendet.

Ein Grundsatz hat sich aber bis heute nicht verändert: Je stärker Lebensmittel außer Haus verarbeitet werden, umso größer ist die Gefahr, dass irgendwer in der langen Kette unredlich handelt. Und noch ein Zweites ist gleich geblieben: Kriminelle Energie kann durch kein Gesetz verhindert werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2012)

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