Biobrenner in der Welt der Alkoholgiganten

Biobrenner Welt Alkoholgiganten
Biobrenner Welt Alkoholgiganten(c) Farthofer
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Der beste Wodka der Welt kommt aus Öhling in Niederösterreich und wird vom Schnapsbrenner Josef Farthofer hergestellt. Trotzdem wird er damit die Hotelbars dieser Welt nicht erobern.

Ja, natürlich ist die Nachfrage momentan groß“, sagt Josef Farthofer. Jetzt will man seinen Wodka auch in China haben. Da werden wohl noch einige Flaschen nach Shanghai geliefert werden. Sonst wirkt er wenige Tage nach der großen Ehrung in London bereits wieder gefestigt. Wer, wenn nicht der Sohn eines Mostbauern im niederösterreichischen Mostviertel bleibt im Erfolg geerdet? „Schön“ sei die Zeremonie in der ehrwürdigen Guildhall gewesen, erzählt der 40-Jährige.

„Was hier geschehen ist, ist eine riesige Sensation“, sagt Arthur Nägele. Der Vorarlberger ist einer der besten Spirituosenkenner des Landes. Der Marketingmann einer Schweizer Hotelkette hat aus seiner Leidenschaft sogar einen Nebenberuf gemacht und bietet Kurse in seiner Spirituosenakademie an. Dass er dort einmal von einem Wodka-Champion aus Österreich erzählen darf, hätte er nicht gedacht. Die International Wine & Spirit Competition (IWSC) gilt als heimliche Weltmeisterschaft. Dort hat Farthofers Wodka alle hinter sich gelassen. Alle Russen, alle Polen, alle Skandinavier. Erstmals siegte ein Wodka aus einem deutschsprachigen Land.

Als das Obst nichts wert war. Als Kind musste Josef Farthofer nach der Schule mit seinen Geschwistern immer „Obst klauben“. Denn die Familie besaß und besitzt noch immer eine ansehnliche Zahl an Obstbäumen. Die Birnen und Äpfel wurden allesamt ans Lagerhaus geliefert. „Das Obst war nichts wert“, erinnert sich Farthofer. Die Bauern lieferten den Grundstoff für die industrielle Fruchtsaft- und Schnapsproduktion und erhielten einen Pappenstiel.

Farthofer interessierte sich von Jugend an für das Obst, presste Saft und war natürlich auch dabei, wenn Schnaps gebrannt wurde. Geld damit zu verdienen kam ihm anfangs nicht in den Sinn. Er wurde Unternehmensberater. Als Mitarbeiter des regionalen Innovationszentrums RIZ tingelte er durchs Mostviertel und beriet Jungunternehmer. Zu Hause tüftelte er an seinen Obstbränden und Mosten. Das ging fünf Jahre lang so. 2003 hatte er schließlich die Nase voll davon, anderen zu erklären, was er eigentlich selbst tun sollte: ein Unternehmen gründen.

„Ich habe heute sieben Mitarbeiter und liefere meine Produkte um die halbe Welt“, erzählt er. Seine Brände trinkt man in Japan, Nigeria, Dubai und China. Farthofer hat sich nämlich von Anfang an auf eine ganz spezielle Schiene spezialisiert: Biobrände.


Auch Ökos trinken Schnaps. Für seine Idee wurde er anfangs ausgelacht. „Ökos trinken naturtrüben Saft, bestenfalls Biowein, aber doch keinen Schnaps“, hat es geheißen. Das stimmt aber nicht. Mit seinen Biobränden klapperte er die Bioläden in Österreich und Deutschland ab und hatte Erfolg. Irgendwann klopften auch die ersten Biohotels und Biovinotheken bei ihm an. Und schon bald hörte er die Ökohoteliers jammern. Sie würden ja gern ihre komplette Bar auf Bioprodukte umrüsten, aber es gibt keinen Bio-Wodka, Bio-Gin, Bio-Rum.

Gibt es mittlerweile schon. Bei Josef Farthofer. „Ich habe gesagt, wenn ich in dieser Nische erfolgreich sein will, muss ich das komplette Sortiment liefern“, erzählt er. Also besorgte er Weizen aus biologischem Anbau und legte los.

Bis vor Kurzem waren Wodka, Gin und Rum natürlich „bestenfalls Randprodukte“ in seinem Betrieb. Farthofer konzentrierte sich auf die Obstbrände. Mit dem Erfolg seines Wodkas taucht er nun aber plötzlich in eine neue Welt ein. Hier tummeln sich nicht Schnapsbrenner und Tüftler, hier regieren die internationalen Alkoholgiganten. „Wodka ist die meistgetrunkene Spirituose der Welt“, sagt Arthur Nägele. Warum? „Weil die Leute gern Alkohol trinken, der geschmacksneutral ist“, sagt er. „Weil man mit keiner Spirituose der Welt so viel Geld verdienen kann“, sagen andere. Denn Wodka soll angeblich weder riechen, noch schmecken. Das Wässerchen wird in Russland in der Regel aus Getreide, vorzugsweise aus Roggen, gebrannt. In Polen sind Erdäpfel traditionell das Grundprodukt. Aber tatsächlich kann man Wodka aus allem machen. Mancherorts aus Mais, Trauben oder sogar aus Zuckerrohr. Denn was den Wodka von anderen Schnäpsen unterscheidet, ist die Filtration. Normalerweise geschieht diese mit Aktivkohle. Sie entzieht dem Destillat die Fuselöle, die für Geruch und Geschmack verantwortlich sind. Und je öfter der Wodka filtriert wird, desto „edler“ ist er – angeblich.

Josef Farthofers Wodka wurde nie filtriert und hat noch nie eine Aktivkohle gesehen. „Die Filtration braucht man dann, wenn man industriell produziert“, sagt er. Dort kommen mit dem sogenannten Nachlauf auch die unangenehmen Geschmacksnoten in den Wodka. Farthofer nimmt nur das „Herzstück“ für seinen Wodka. Und sein größtes Geheimnis ist das Wasser. Denn der mehrfach gebrannte Wodka hat im unverdünnten Zustand 80 Volumsprozent. Dann fährt Farthofer ins untere Mühlviertel und zapft dort in einem Naturschutzgebiet eine Quelle an. „Wasser aus einem Schiefergesteinsboden, extrem weiches, mineralisches Wasser“, sagt Farthofer geheimnisvoll. Damit verdünnt er den Wodka und veredelt ihn zugleich. Und deshalb schmeckt seiner dezent nach Weizen und trinkt sich mild.

Wodka ist vor allem Marketing. 49,90 Euro verlangt der Niederösterreicher für eine Flasche seines Weltmeister-Wodkas. Um dieses Geld bekommt man im Supermarkt vier bis fünf Flaschen einer berühmten Weltmarke.

Was kostet ein Liter Wodka auf dem Weltmarkt? Ein Experte, der lieber nicht namentlich zitiert werden möchte, meint: „Reiner Alkohol kostet zwischen 80 Cent und 1,10 Euro pro Liter.“ Dieser werde dann noch mehrfach destilliert und filtriert, bis er sich Wodka nennen darf. „Am Ende werden die Produktionskosten wohl bei knapp 1,50 Euro pro Flasche liegen“, sagt der Insider und fügt hinzu: „Herkömmlicher Wodka ist ein reines Marketing-Produkt.“

Und die Alkoholgiganten pumpen Millionen in diese hochprozentige Werbemaschinerie. Smirnoff, die wertvollste Spirituosenmarke der Welt, wird in den USA produziert und gehört Diageo, dem größten Spirituosenkonzern mit Sitz in London. „Absolut Wodka“, nach Ikea wohl das wichtigste Exportprodukt Schwedens, ist in Besitz von Pernod Ricard, der Nummer zwei. Und im Reich des Bacardi-Konzerns fliegt die „Grey Goose“, das schicke Wodka-Label aus Frankreich, über allen Wolken.

„Jedes Jahr werden etwa 150 Millionen Kartons (12 Flaschen, Anm.)Wodka verkauft“, sagt Spirituosenakademiker Arthur Nägele. Der meistgetrunkene Wodka ist von Stolichnaya. Die Russen produzieren jährlich 15 Millionen Kartons.


Bars haben Verträge mit Konzernen. Mit der großen Welt der Spirituosenindustrie will Josef Farthofer ohnehin nichts zu tun haben. Kritische Konsumenten, umweltbewusste Feinschmecker, Haubenrestaurants, das ist seine Klientel. Natürlich wollte er mit seinem Weltmeister-Wodka auch in der einen oder anderen renommierten Bar reüssieren. Dort standen aber fast immer Smirnoff, Absolut und Co. in den Regalen. „Aus vertraglichen Gründen dürfen wir ihren Wodka nicht ausschenken“, wurde ihm dann gesagt.

„Die großen Konzerne binden die Lokale vertraglich an sich“, weiß Experte Nägele. Dafür liefern sie mit Wodka, Whisky und Rum auch gleich Gläser, Equipment und Getränkekarten mit. „In England bieten die Konzerne den Barkeepern sogar Kurse an und versorgen sie mit neuen Cocktail-Kreationen“, erzählt Nägele.

Und Josef Farthofer? „Stolz bin ich schon“, sagt der Biobrenner und denkt an die Trophäe und an die Goldmedaille, die er nun irgendwo in seiner Schaubrennerei, die sich Mostelleria nennt, ausstellen wird. In Öhling im Mostviertel, weitab von der Welt der Alkoholgiganten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2012)

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