Käse: Wenn Milch in Würde altert

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Käse war bei der Slow-Food-Messe „Salone del Gusto“ in Turin so etwas wie ein Grundnahrungsmittel. Etwa der fünfzehnjährige Bitto.

Es ist fast schon ein bisschen kitschig. Eine schöne Berglandschaft, saftige Wiesen, Kühe, ein paar Ziegen und inmitten des Idylls ein Zelt. Aber kein modernes aus wasserabweisenden, multifunktionalen Materialien, sondern eines, das irgendwie an früher erinnert. An ganz früher. Denn der Boden besteht aus saftigen Wiesen, die Wände aus lose übereinandergelegten Steinen und das Dach aus einer schlichten dunkelgrünen Plane, die über ein Holzgerüst gespannt wird und an einem Ende ein Stückchen frei lässt. Aber nicht, damit der Hirte darunter freie Sicht zum Himmel hat – obwohl, wer weiß, passen würde es. Nein, hier wird Käse gemacht. Und zwar so wie schon seit Jahrhunderten, in einem großen Kessel, der über eine offene Feuerstelle gehängt wird. Fast könnte man sich in diesem Idyll verlieren, wäre da nicht das Gedränge rundherum.

Ein Stück heile Welt. Ein Gedränge, das den Betrachter des Bildes ganz schnell wieder zurück in die Realität holt, in den Trubel beim „Salone del Gusto“ in Turin, der Ende Oktober stattgefunden hat. Diese Messe ist so etwas wie die Leistungsschau von Slow Food. Alle zwei Jahre präsentieren sich dort Lebensmittelproduzenten, die nach den Slow-Food-Kriterien, also gut, fair und nachhaltig, produzieren. Heuer wurde die Messe erstmals mit der internationalen Food-Messe „Terra Madre“ zusammengelegt. Auf stolzen 82.000 Quadratmetern haben dabei mehr als 1000 Aussteller ihre Köstlichkeiten präsentiert. 220.000 Besucher folgten dem Ruf von Slow Food und nahmen lange Wartezeiten bei den Eingängen, Gedränge und Hektik in den gigantisch großen Messehallen in Kauf, nur um sich etwa ein Stück von jener heilen Welt zu kaufen, die in einem Bergdorf in der Lombardei tatsächlich Alltag ist.



Auffallend viel Käse wurde dabei präsentiert. Und auffallend viel Gedränge war eben vor jenen Messeständen zu beobachten, die möglichst glaubwürdig vermitteln konnten, dass sie wirklich so wie früher arbeiten, ganz natürlich und ohne irgendwelche Tricks. Einer dieser Stände war jener von Paolo Ciapparelli. Er ist nicht nur Präsident der Produzentenvereinigung Valli del Bitto, sondern auch Käsemacher mit Leib und Seele. Seine Kühe weiden auf einer Höhe zwischen 1400 und 2000 Metern, haben alle einen Namen, mit dem sie auch gerufen werden, bevor sie händisch gemolken werden.

„Dass es den Kühen gut geht, ist das Wichtigste. Dazu braucht es Können und Erfahrung, das kommt nicht von der Schule, sondern von jahrhundertelanger Tradition“, erklärt Ciapparelli und bietet seinen für die Region typischen Bitto-Käse an. Das Besondere daran ist aber nicht nur der Herstellungsprozess – die Milch wird nämlich unmittelbar nach dem Melken verarbeitet, weshalb es keine Zusätze braucht –, sondern auch das Alter des Käses. Denn der Bitto, der ursprünglich aus dem Gebiet Gerola Alta kommt, ist wohl der älteste – genießbare – Käse der Welt. 15 Jahre zählt der älteste Käselaib, den Ciapparelli in seiner Schatztruhe lagert. Den bietet er den Messebesuchern zwar nicht so ohne Weiteres zum Verkosten an, denn das wäre dann doch etwas kostspielig, aber immerhin kann man sich an dem kleinen Käsestand durch eine zehnjährige Käsegeschichte kosten, vom heurigen Käse über den einjährigen, den dreijährigen bis zum fünfjährigen. Wenn man ihn lieb bittet, schneidet er auch ein klitzekleines Stückchen vom zehnjährigen ab. Und tatsächlich: Der ist zwar hart, aber keinesfalls trocken – und unglaublich intensiv. Ganz im Unterschied zum heurigen, der ganz weich, fast buttrig ist und noch dank Fettschicht glänzt. 

Reifeprüfung.
Dass der Bitto-Käse so alt werden kann und trotzdem sensationell schmeckt, hängt übrigens mit der unmittelbaren Verarbeitung (bis zu einer halben Stunde) nach dem Melken zusammen. „Sonst würden sich Enzyme bilden, die dann im Käse weiterarbeiten. Dann kann man den Käse nach zwei Jahren nicht mehr essen“, erklärt ein junger Mitarbeiter von Ciapparelli. Zehn bis 20 Prozent der verarbeiteten Milch stammen von der Ziege, der Rest von den Kühen. Den ganzen Sommer über weiden die Tiere in den Bergen, wenn eine Ebene abgegrast ist, wandert die Herde ein Stückchen weiter Richtung Gipfelkreuz und die Hirten bauen ihr einfaches Zelt auf einer höheren Station wieder auf. Vier Monate lange dauert somit der Produktionsprozess – von Anfang Juni bis Ende September. Nachdem Kuh- und Ziegenmilch vermengt wurden, werden sie in einem Kessel langsam erhitzt. Zwei Stunden dauert es, bis die gewünschte Temperatur von 50 bis 52 Grad Celsius erreicht ist. Danach kommt der Käse in ein spezielles Holzgefäß, in dem er dann reifen kann – mindestens 70 Tage. Dann ist er bei Paolo Ciapparelli aber gerade einmal ein Jungspund.

Vielfalt

Mitglied bei Slow Food werden (ein Jahr um 50 Euro, drei Jahre um 140 Euro): Aufwww.slowfood-wien.at finden sich alle regionalen Präsidien.

Mehr Fotos von der Terra Madre auf Schaufenster.DiePresse.com

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