"Haße" Wiener Wurstelstände in Bildband verewigt

(c) Verlag Anton Pustet
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95 Exemplare des "Kleinen Sachers", vom "Würstelmausi" bis "Rock'N'Wurst", finden sich im Buch von Sebastian Hackenschmidt und Stefan Olah.

Der Wiener Würstelstand ist kulinarische Institution und klischeeüberladene Folklore zugleich. Kunsthistoriker Sebastian Hackenschmidt und Fotograf Stefan Olah haben nun einen Bildband veröffentlicht, in dem 95 Exemplare des "Kleinen Sachers" - wie die Zweckbauten zuweilen genannt werden - bildlich verewigt sind.

Olah setzt die Metall- und Holzbuden, die klingende Namen wie "Klasse Haße", "Rock'N'Wurst" oder "Würstelmausi" tragen, konsequent ungeschönt in Szene. Damit wird er der provisorischen Ästhetik vieler Hütten durchaus gerecht. Abgedrückt hat der gebürtige Wiener, der erst kürzlich seine Aufnahmen der Stadtbahnbögen als Buchprojekt veröffentlichte, an den verschiedensten Ecken der Stadt - und zwar zu unterschiedlichen Jahres-, Tages- und Nachtzeiten.

Die Aneinanderreihung der sich hinsichtlich des Blickwinkels sehr ähnelnden Motive wirkt dabei leider etwas willkürlich und uninspiriert. Insofern ist es nur stimmig, wenn Hackenschmidt in seinem Eingangstext schreibt, dass sich die Publikation "weder als komplettes Verzeichnis sämtlicher Würstelstände der Stadt, noch als Typologie der verschiedenen Ausprägungen von Imbissständen" verstehe, sondern "einfach einen repräsentativen Querschnitt der derzeit in Wien existierenden Würstelstände" darstelle. Statt das Besondere im Alltäglichen mit außergewöhnlichen Mitteln sichtbar zu machen, dem Banalen mit extraordinärem Zugang zu begegnen, fällt hier auf schlichte Un-Architektur ein ebenso schlichter Blick.

Folglich haben die Fotografien hauptsächlich Illustrationscharakter zu den um einiges aufschlussreicheren Textbeiträgen. Hackenschmidt setzt sich vor allem mit dem Würstelstand als soziokulturelles Phänomen auseinander, das zudem mit idiomatischen Eigenheiten aufwartet - siehe "a r ogschöde buanwuascht", die H.C. Artmann in seinem Gedicht "Wos an weana olas en s gmiad ged" würdigt.

Der Historiker Leonhard Weidinger zeichnet indes die Geschichte der Würste nach. Das Geräucherte reiche bis zu Homer zurück, sei bei den alten Griechen durch Vasenmalereien dokumentiert und wegen ihrer "Symbolik dekadent-sexueller Ausschweifung" in Konflikt mit dem aufkommenden Christentum geraten. Auch an Johann Georg Lahner, der 1805 die Frankfurter - die außerhalb Österreichs "Wiener Würstchen" heißen - erfunden hat, wird erinnert.

Wenn es um die Wurst geht, geht es letztlich aber immer auch um Leben und Tod - zumindest laut dem "Eat-Art"-Künstler Daniel Spoerri: "Es geht bei diesem Gewürzten, Wirren, Zerstoßenen und Vermatschten um die Wurst; das heißt um die Haut, um den Darm, um den Schlauch, in den dieser Matsch gepresst wird; um ihn zu kochen, zu dünsten, zu braten, zu grillen - damit wir ihn wieder zerkauen, zerkleinern, um ihn noch einmal einem Darm einzuverleiben; ihn verdauen, auspressen, aussaugen, bis er wieder als Metawurst auferstehen und schleunigst verschwinden und weggespült werden kann."

(APA)

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