Bier wie anno 1720: Ein Experiment

Bier anno 1720 Experiment
Bier anno 1720 Experiment(c) Fabry
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Die Brauerei Hofstetten besteht seit 1229 und ist somit die älteste Brauerei Österreichs. Jetzt wurde mit dem "Neuhauser Herrschafts Pier" ein Bier nach einem 300-jährigen Rezept gebraut.

Im Vergleich zum Brauhaus selbst ist das neueste Bier aus der Brauerei Hofstettner geradezu ein Jungspund. Das Bier mit dem ungewöhnlichen Namen „Neuhauser Herrschafts Pier“ ist zwar frisch gebraut, dieser Tage wird es erst abgefüllt und etikettiert. Die Rezeptur ist aber alles andere aus neu, genau genommen knapp 300 Jahre alt. Im Gemeindearchiv von St. Martin im Mühlkreis in Oberösterreich lagern nicht nur Aufzeichnungen über die älteste Brauerei Österreichs, deren Geschichte viel weiter, nämlich bis ins Jahr 1229, zurückreicht. Dort fand Brauereiinhaber Peter Krammer auch eine „Pier- oder Präuhaus Rechnung“, datiert mit dem Jahr 1720 – und stieß mit dem Rezept vom Sud Nr. 3 auf eine historische Rezeptur.


Emmer aus der Genbank. „Die Mengenangabe von Gerste, Weizen und Hopfen haben wir genau eingehalten. Nur die Machart haben wir geändert“, sagt Braumeister Markus Thaller. Er ist derzeit sehr beschäftigt, immerhin ist nicht nur der Chef im „schwer verdienten Urlaub“. Kommendes Wochenende findet auch das 40. Sommernachtsfest im Schloss Neuhaus statt. Und da hat sich die oberösterreichische Brauerei, in der generell gern experimentiert wird – knapp 20 verschiedene Biersorten sind im Sortiment –, etwas Spezielles einfallen lassen. Wobei bei dem historischen Bier nicht nur nach alter Rezeptur gebraut wird.

Auch die Zutaten sollten so ursprünglich wie möglich sein. „Deshalb haben wir keinen Weizen verwendet, sondern Emmer, weil das der Urweizen ist und dem Weizen von damals noch am ähnlichsten ist“, erklärt Thaller. Die Getreidesamen wurden über die Ages Linz bezogen, bei der historisches Saatgut in einer Genbank eingelagert ist. Wolfgang Kainz von der Ages war also in den Jahren von 2009 bis 2011 gemeinsam mit mehreren Landwirten damit beschäftigt, Emmer und alte Braugerste zu vermehren. Im Vorjahr standen dann je 100 Kilogramm Saatgut zur Verfügung, das daraus gewonnen Getreide wurde in der Mälzerei Pohlberger erst einmal zu Malz verarbeitet. Die Hefe kam von einem französischen Bauernhof, „weil die am ursprünglichsten ist“, so Thaller. Seit Juni wird in der Hofstettner Brauerei das historische Bier gebraut. Insgesamt wurden 4000 Liter produziert, die dann erstmals beim Dämmershoppen beim Schlossfest Neuhaus kommenden Samstag ausgeschenkt und verkauft werden.


Würziges Weißbier. Herausgekommen ist ein durchaus würziges, feines Bier, das an Weißbier erinnert. „Wir haben im Vorfeld viel probiert, auch mit Spontangärung, weil früher ja auch durch Zufall gegärt wurde. Was da rausgekommen ist, war teilweise furchtbar, total sauer“, sagt Thaller. Immerhin wurde früher, also vor mehreren hundert Jahren, zwar auch reichlich Bier gebraut. Mit dem heutigen Getränk lässt sich das aber nicht mehr vergleichen. Denn einerseits fehlten natürlich die heutigen Messgeräte, andererseits wusste man oft nicht so recht, was beim Brauvorgang eigentlich genau passiert. „Hefe hat man nicht gekannt, man hat aber gewusst, dass es, wenn man zum Beispiel einen bestimmten geflochtenen Kranz aus Holz dazugibt, zu gären anfängt. Da war viel Aberglaube dabei.“ Auch die Umgebung des Gärprozesses hat seinen Teil dazu beigetragen. Im Herbst etwa, wenn überall die Äpfel reifen, ging es mit der Spontangärung ein bisschen schneller.

Auch wenn das Brauhaus der Hofstettner Brauerei aus dem Jahr 1928 stammt und dort mit älteren Gerätschaften gearbeitet wird – etwa einem offenen Läuterkranz (im Bild links hinter dem Braumeister) – dem Zufall überlässt man dort gar nichts. Das machen schon allein die verschiedenen Temperaturen in den unterschiedlichen Räumen deutlich. Oben im Sudhaus kann es gerade im Sommer ordentlich heiß werden, „da hat es schnell einmal 40 Grad“, so Thaller. Ein paar Stiegen abwärts, im Gär- und Lagerkeller, liegt die Temperatur bei fünf beziehungsweise null Grad. „Durch das viele Hin- und Hergehen ist man im Winter schnell einmal verkühlt.“ Schon Thallers Vorgänger wussten sich da zu helfen. Von der noch alkoholfreien Würze, die im Sudhaus vom Läuterbottich über den Läuterkranz in die große Würzpfanne (rechts im Bild) geleitet wird, zapfte sich so mancher Brauer ein Gläschen. „Das ist gut für den Körper, weil so viele wertvolle Inhaltsstoffe drin sind, Vitamine und Spurenelemente. Es schmeckt wie ein heißer, süßer Tee“, sagt Thaller, der mit seinen 28 Jahren schon auf Berufspraxis in der um einiges größeren Stiegl-Brauerei zurückblicken kann.

Auch der Begriff Kübelbier geht auf die früheren Braumeister zurück. Die haben sich nämlich für die Mittagspause unfiltriertes Bier in einen Kübel gezapft. Deshalb heißt dieses naturtrübe Bier, das besonders viele Eiweiß-, Hefe- und Hopfenaromastoffe enthält, auch heute nicht Zwickl, sondern Kübelbier. Und wird mittlerweile, wie andere Sorten auch, in die USA exportiert.

Knapp 6000 Hektoliter werden heute in der Hofstettner Brauerei gebraut – im Jahr. „Eine große Brauerei macht das am Tag, bei Stiegl war das eine gute Tagesbilanz“, so Thaller, der noch eine lustige historische Anekdote parat hat. Auch wenn es sich dabei um das deutsche Reinheitsgebot handelt: „Früher wurde ja viel gebraut, vor allem Weißbier. So viel, dass es irgendwann keinen Weizen mehr fürs Brotbacken gab. Also beschloss man das Reinheitsgebot, nach dem nur mit Gerste gebraut werden durfte. Die eignet sich nicht zum Brotbacken. Das wurde dann aber wieder gelockert.“ Und gilt zum Glück in Österreich nicht – damals wie heute.

Auf einen Blick

Brauerei Hofstetten
Die oberösterreichische Brauerei Hofstetten in St. Martin im Mühlkreis besteht seit 1229. Etwa ein Dutzend Mitarbeiter brauen heute knapp 6000 Hektoliter Bier pro Jahr.

Schlossfest Neuhaus
Das Schloss Neuhaus feiert von 9. bis 11. 8. sein 40. Sommerfest. Beim Dämmershoppen (10. 8.) wird das „Neuhauser Herrschafts Pier“ verkauft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2013)

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