»Wir sind beim Essen sehr technologiefeindlich«

Wer fürchtet sich vor Kunstfleisch? Ernährungsforscherin Hanni Rützler über einen Burger und seine Folgen.

It's close to meat, but not so juicy“: Mit diesen Worten wurde Hanni Rützler sozusagen weltberühmt. Die österreichische Ernährungswissenschaftlerin war Teil der medialen Premiere des ersten Burgers aus künstlich gezüchtetem Fleisch. Rützler hatte den Erfinder, Mark Post, bei einer Tagung kennengelernt und mit ihm über Kunstfleisch diskutiert. Vergangenen Montag durfte sie es in London kosten.

Frau Rützler, warum gibt es für Kunstfleisch eine Verkostung mit Pressekonferenz, während es damals für den Analogkäse nur Empörung gab? Warum wird Künstlichkeit einmal gefeiert und einmal versteckt?

Hanni Rützler: Beim Käseimitat war die Entwicklung so langsam, dass der Konsument gar nicht gemerkt hat, wie sich das eingeschlichen hat. Als man dann entdeckt hat, in wie vielen Produkten Kunstkäse steckt, war man zu Recht enttäuscht, weil getäuscht. Bei Cultured Meat geht es nicht um ein Produkt, sondern um eine neue Produktionsweise. Da die Forschung teuer ist und man Mittel braucht, muss man das auch offensiv kommunizieren. Ich habe den Eindruck, dass es im deutschsprachigen Raum besonders viele Ängste gibt.

Woran merken Sie das?

An Namensfindungen wie „Frankenburger“. Wir sind beim Essen sehr technologiefeindlich.

Ist die Lebensmittelindustrie am Misstrauen nicht selbst schuld, weil sie die Tatsache, dass sie eine Hochtechnologie ist, hinter Werbung versteckt, die das Gegenteil vermittelt?

Stimmt – gerade dass man in der Werbung die Kühe nicht von Hand melkt. Es gibt hier einen großen Vertrauensbruch. Wobei auch der Konsument ambivalent ist: Er möchte das Handwerk, das Regionale, aber er will es billig. Umso wichtiger ist es, die Cultured-Beef-Technik offen zu kommunizieren. Sie hat großes Potenzial für Nachhaltigkeit. Das zu ignorieren und die Debatte auf die nächste Generation zu verschieben wäre auch unappetitlich.

Aber muss man das Problem – den enormen Ressourcenverbrauch für die Fleischproduktion – denn so aufwendig lösen? Genügen nicht pflanzliche Alternativen? Oder dass man weniger Fleisch isst?

Würde genügen, passiert aber nicht. Und Fleischessverbote sind keine Alternative. In Europa ist der „Peak Meat“ zwar erreicht, aber in Afrika oder China nimmt der Fleischkonsum stark zu.

Aber ist es besser zu sagen: Wer es sich nicht leisten kann, soll Laborfleisch essen?

Natürlich nicht. Ob das Kunstfleisch überhaupt erfolgreich ist, hängt ja auch stark von kulturellen Faktoren ab. Der Mensch muss es mögen.

Interessiert sind jedenfalls Vegetarier. Die Tierschutzorganisation Peta lobte schon vor Jahren eine Mio. Euro für das erste künstliche Huhn aus. Dürfen Vegetarier Kunstfleisch denn mit gutem Gewissen essen?

Es kommt darauf an, warum man Vegetarier ist. Für jene, die Tierleid vermeiden möchten, ist es eine Variante.

Wobei die Muskelzellen derzeit in einer Nährlösung gezüchtet werden, für deren Herstellung man Kalbsföten braucht. Nicht so toll für Vegetarier.

Vorerst geht es nicht anders. Künftig sind aber andere Lösungen denkbar.

Apropos Zukunft: Wir wollen ja die Herkunft schmecken, etwa beim Rind die Rasse und die Fütterung. Geht das mit Kunstfleisch?

Davon, ein T-Bone-Steak nachzubauen, ist man weit entfernt. Für solche komplexen Gewebe müsste man Arterien entwickeln, die die Zellen mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen und die Abfallprodukte entsorgen, wie in einem normalen Körper. Wenn man versucht, die Natur nachzubauen – mit Blutkreislauf und allem –, wird es aber auch für mich unheimlich. Da bin ich zu sehr Mitteleuropäerin. Ich glaube, dass es reicht, bei dieser Art von Faschiertem, also den Muskelzellen, zu bleiben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2013)

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