Wien und die Waffel

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Die Manner Schnitte ist eine der bekanntesten Süßigkeiten Wiens. Doch gibt es noch einige andere Süßwaren, die viel zum süßen Lebensgefühl der Stadt beitragen.

Ohne Neapel wäre es nicht gegangen. Aus der Metropolenregion rund um Italiens drittgrößte Stadt kamen nämlich die Haselnüsse, die für die Füllung verwendet wurden. Damit ist auch die Frage geklärt, warum eine der bekanntesten Süßigkeiten Wiens – die übrigens heuer ihren 115.Geburtstag feiert – auch als Neapolitaner bezeichnet wird. Vermutlich eine ähnliche geografische Fehlleitung wie die Frankfurter Würstel, die nach wie vor und trotz zunehmender Konkurrenz durch Pizza, Kebab und Asia-Nudeln zu Wiens kulinarischer DNA gehören.

Aber zurück zum Süßen: Die Manner Schnitte ist für Wien so etwas wie für Salzburg die Mozartkugel – auch wenn es eigene Wiener Mozartkugeln gibt, das zählt nicht. Im Spektrum des touristischen Einkaufs lässt sich jedenfalls das charakteristische quadratische rosa Päckchen immer wieder ausmachen. Und gerade in der Wiener Innenstadt ist es ja auch naheliegend, sind die Schnitten im hauseigenen Manner-Shop am Stephansplatz ja sogar am Sonntag erhältlich. Die feine Ironie, dass der Shop, der die heilige Sonntagsruhe bricht, gerade im Erzbischöflichen Palais eingemietet ist, ist ein weiteres Wiener Spezifikum.


Waffel und Geist. Dass die sonst auf Einhaltung der Sonntagsruhe bedachte Kirche hier beide Augen zudrückt, mag mit dem speziellen Verhältnis zu tun haben, das Manner mit dem Stephansdom verbindet. Schon das erste Geschäft, in dem Josef Manner 1890 Schokolade verkaufte, war an der Adresse Stephansplatz 6 untergebracht. Und als der Firmengründer den Dom als Schutzmarke gewinnen konnte, verbreitete sich das Bild der Kirche über die Schnittenpackung in die ganze Welt. Wie ausgeprägt die Symbiose aus süßer Waffel und heiligem Geist ist, lässt sich auch daran ablesen, dass die Süßwarenfirma seit Jahren einen Domsteinmetz auf der Gehaltsliste führt.

Der blaue Firmenschriftzug auf rosa Hintergrund ist zumindest in Wien schon ein Teil der Popkultur geworden – so wie auch die Alliteration im Werbeslogan, der im wienerischen Sprachgebrauch nach wie vor in verschiedensten Situationen eingesetzt wird – „... mag man eben“.

Natürlich, die Manner Schnitte ist so verbreitet, dass sie Mainstream ist. Will man klären, was Wien in Sachen Süßigkeiten ausmacht, muss man aber auch in die kleinen Nischen schauen. Zu Produkten, die nicht so vordergründig mit dem Image der Stadt verwoben sind – die aber trotzdem viel zum Wiener Lebensgefühl beitragen. Auf der Ebene der Waffel muss man sich dazu vor allem zum Heurigen begeben. Denn zwischen klischeehaft aufgeladener Glückseligkeit bei Liptauer und Spritzwein blinzeln auch die Haselnussecken verschämt hervor. Dahinter verstecken sich wieder Waffeln, allerdings bestreut mit Haselnüssen und in Schokolade gehüllt – und im Gegensatz zu den rechteckigen Schnitten präsentieren sich die Ecken gar nicht so eckig in Form von Tortenstücken.

Ja, im Supermarkt gibt es sie schon auch. Doch haftet ihnen viel mehr das Image der kleinen Süßigkeit an, die es eben nicht überall gibt. Und die – ähnlich wie Tomatensaft ins Flugzeug gehört – vor allem aus der Kühltheke von Heurigenlokalen geholt wird.

Süßes in österreichischer Hand. Dass das Unternehmen Pischinger gar nicht mehr für sich allein steht, seit es 2006 von der Confiserie Heindl übernommen wurde, spielt dabei keine Rolle. Zum Ersten, weil Heindl neben Manner der zweite große rein österreichische Player auf dem Süßwarenmarkt ist. Zum Zweiten, weil die Marke an sich weitergeführt wurde. Und das ist für das heimelige Gefühl ja das eigentlich Entscheidende. Wer mit Austrian Airlines fliegt, denkt schließlich auch nicht daran, dass das Unternehmen eigentlich der deutschen Lufthansa gehört.

Und doch wird es medial immer wieder gefeiert, wenn eine traditionelle Süßware, die irgendwann aus dem Ausland aufgekauft wurde, wieder heim ins Land geholt wird. Als etwa im heurigen August der oberösterreichische Fruchtsafthersteller Spitz den Torteneckenerzeuger Auer-Blaschke von der niederländischen Continental Bakeries BV kaufte, dominierte bei vielen die Freude. Immerhin ist damit ein weiterer Wiener Klassiker wieder zu 100 Prozent österreichisch: Die Auer-Tortenecken – schon wieder Waffeln, übrigens – haben einen ähnlichen Status wie die Pischinger-Ecken. 1920 als Abverkauf zerbrochener Oblatentorten gestartet, entwickelten sie sich zunehmend zum Klassiker. Und auch das besonders beim kleinen Greißler und beim Heurigen.


Kokos und Kakaocreme.
Im Auer-Blaschke-Paket war aber noch ein zweiter Klassiker enthalten, der eine wichtige Nische in Wiens Süßwarenleben besetzt – auch wenn der 1921 von Konditormeister Johann Blaschke erfunden wurde, der eigentlich Niederösterreicher war: die Kokoskuppel. Auch hier handelt es sich um Waffeln, allerdings gefüllt mit Kokos und Kakaocreme. Und rund, mit einer – wie der Name schon sagt – Kuppel. Als kleine Jause hatte und hat auch sie ihre Fans und besetzt ein kleines Segment im süßen Lebensgefühl der Bundeshauptstadt.

Was allerdings bei all den Waffeln auffällt – es steckt vor allem Nostalgie in ihnen, und es sind meist ältere Kunden, die zu klassischen Wiener Süßigkeiten greifen. Genau das bekam zuletzt auch das Traditionsunternehmen Niemetz zu spüren: Schwedenbomben und Manja-Stangen, die jahrzehntelang zum Kanon der Wiener Süßigkeiten gehörten, verkauften sich zunehmend schlechter, das Unternehmen geriet in Schwierigkeiten. Zwar konnten die Nostalgiker via Facebook den Verkauf kurzfristig ankurbeln, doch letztlich musste das Wiener Unternehmen doch übernommen werden. Neuer Eigentümer ist seit Mai das rumänische Unternehmen Heidi Chocolat, das die Produktion in Österreich weiterführt. In diesem Fall muss man also, um zum Anfang zurückzukommen, Folgendes sagen: Ohne Bukarest wäre es nicht gegangen.

Süssigkeiten, die Wien ausmachen

Neapolitaner.Waffeln, gefüllt mit einer Haselnuss- und Kakaocreme. Im Osten Österreichs werden sie allerdings niemals als Waffeln, sondern als Schnitten bezeichnet.

Haselnussecken. In Tortenform angeordnete Waffelecken, die mit Haselnüssen bestreut und mit Schokolade überzogen werden. Gibt es auch als Variante Mandelecken.

Tortenecken. Gefüllte quadratische Oblatentorte, die in mehrere Ecken zerteilt verkauft wird.

Kokoskuppel.Waffelboden mit Kakaocreme und Kokos in Schokolade getunkt.

Schwedenbombe.Eiweißschaum mit einem Überzug aus Schokolade auf einer Waffel. In Deutschland auch als Negerkuss bekannt – wegen der rassistischen Konnotation des Namens heute eher Schokokuss.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.10.2013)

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