Bangkok: Wohnen im Restaurant

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Iss, sitz, trink: Wie das Wohnzimmer eines Wieners in Bangkok zum beliebtesten Restaurant der Stadt wurde.

Stadtbild. Florian Gypser kredenzt Essen – und Bankgkok-Panorama.
Stadtbild. Florian Gypser kredenzt Essen – und Bankgkok-Panorama.(c) EPA (BARBARA WALTON)

Eigentlich habe ich die Küche damals geplant für ein Müsli in der Früh, einen Kaffee am Nachmittag und eine Fertignudelsuppe am Abend“, sagt der seit neun Jahren in Bangkok lebende Wiener Architekt und Designer Florian Gypser lapidar. Das hat sich mittlerweile geändert, ebenso wie sein Entschluss, in Bangkok nie mehr zum Kochlöffel zu greifen.

Denn inzwischen betreibt er mit seiner Freundin Goy das „Nang Gin Kui – Bangkok Private Dining“, ein Restaurant im eigenen Wohnzimmer, das vom Online-Reiseführer Tripadvisor seit einigen Monaten als das beste Restaurant Bangkoks geführt wird. Und da werden immerhin über 7000 Restaurants genannt. „Jetzt wohnen wir eigentlich in einem Restaurant. Im Schlafzimmer ist eine ganze Wand mit Lagerfächern bestückt, vis-à-vis vom Bett findet sich der zweite Kühlschrank und dazwischen hängen die Polsterbezüge, die täglich gewaschen werden, zum Trocknen“, resümiert der 39-Jährige.

60 Quadratmeter Esszimmer. Entwickelt hat sich alles Schritt für Schritt, angefangen vor wenigen Jahren mit einem Schlüsselerlebnis. Ein thailändischer Geschäftsfreund gab Gypser mit auf den Weg: „Das Gute liegt oft so nah.“ Und schon am nächsten Tag kam die Idee zum Private Dining im Apartment des Österreichers, das sich im 15. Stock befindet und nach Umbauarbeiten einen Blick auf den Chao Phraya, den „Fluss der Könige“, hat. Schon zuvor war das Paar Gypser und Siwaporn von Freunden bei den regelmäßigen Essenseinladungen dazu ermutigt worden, ein Restaurant zu eröffnen. „Und ich sitze da im Wohnzimmer mit einem Kaffee und denke mir, es ist ja alles da. Ein 60 Quadratmeter großes Esszimmer und 4,5 Kilometer Flussblick.“

Das Konzept des Private Dining war Florian Gypser neu. Erst durch Recherchen im Internet stieß er auf eine blühende Szene, die sich dem Kochen und Bewirten abseits von Restaurants verschrieben hat.
Anfangs kamen Freunde mit Freunden, schließlich führten Mundpropaganda und eine Facebookseite dazu, dass nicht nur am Wochenende, sondern regelmäßig aufgekocht wurde. Der Name des Lokals: „Nang Gin Kui“, zu Deutsch „Iss, sitz und trink“. Mittlerweile ist es schwer, einen Platz im Wohnzimmer des Wieners zu bekommen, Denn es werden maximal vierzehn Personen bewirtet. „Wir könnten auch zehn Tage die Woche kochen. Es gibt einen enormen Andrang, ich bekomme E-Mails im Stundentakt“, berichtet der nunmehr professionelle Gastgeber. Auch die Kundschaft hat sich weiterentwickelt, so kommt der Großteil der Gäste aus den umliegenden Fünfsternehotels oder sind VIPs der Stadt.


Abschied mit Umarmung. Der Erfolg kam auch für Gypser überraschend, er ist sich sicher, dass viele Komponenten dafür verantwortlich sind. „Man kommt nicht nur zum Essen, man kann sich entspannen und macht den ganzen Abend eine bereichernde Erfahrung. Es ist, als gehe man zu Freunden, da dauert es auch etwas länger. Und dann verabschiedet man sich mit einer Umarmung.“

Ungewöhnlich ist schon der Beginn des Essensexperiments. Die Abende beginnen nicht vor der Haustüre, sondern in der Lobby eines Fünfsternehotels zehn Minuten entfernt, dem Treffpunkt. Denn das Wohnhaus in Chinatown, eines der ältesten Wohngebäude der Stadt, ist nicht leicht zu finden. Eine falsche Abbiegung, und schon ist man in den engen Gassen verloren. Der Weg zum Diner dient dem ersten Beschnuppern, wenn die Gäste, die dann an einem Tisch sitzen werden, einander nicht kennen.

Eine Trennung zwischen Schlaf- und Esszimmer gibt es in den Wohnungen der Thailänder oft nicht, es wird gleichzeitig ferngesehen und gekocht, und auch das Motorrad hat ein Dach über dem Kopf. Trotz der Enge hatte Gypser mit seinen Nachbarn bisher keine Probleme. „Wenn wir zwei bis drei Tage lauter sind, dann entschuldigen wir uns.“ Lizenz gibt es keine. „Es ist grenzwertig, aber das macht es aus. Bisher gab es noch keine Reklamationen. In Thailand wird Essen und auch das Gastgebersein als Kulturgut so hoch geschätzt, dass es nicht so sehr um Geld und Steuern geht“, meint er.

Auch um die Zukunft hat er sich schon Gedanken gemacht, der selbst ernannte „notorische Entrepeneur“, der als Architekturlektor auf Unis und als Möbeldesigner arbeitet und gerade dabei ist, ein neues Lederunternehmen zu gründen. Ob man etwa ein richtiges Restaurant eröffnen sollte oder zumindest eine Zweitwohnung anmietet, immerhin hat man so gut wie kein Privatleben. „Es sind ständig Leute zu Gast, aber es macht immer Spaß. 99,9 Prozent der Abende sind toll, erfolgreich und extrem bereichernd.“ Viel ändern will er deshalb gar nicht: „Wir sind so anders und so gut, dasss man das nicht duplizieren kann. So wie es ist, ist es gerade schön.“

TIPP

Das Zwölfgängemenü gibt es in vier Varianten (vegetarisch, Thai contemporary, Thai classic und Thai seafood). Auch bei den Dinerkonzepten setzt man ganz auf Individualität. Das „Hide Away“ ist ein Candle-Light- Diner für zwei Personen, das „Meet & Greet“ besteht aus einer Gruppe von bis zu zwölf Personen, die sich nicht kennen, und das „Friends & Familiy“ ist Familienfeiern vorbehalten. Ab 70 Euro pro Person inklusive Getränke, nähere Informationen unter www.facebook.com/nang.gin.kui und auf www.nangginkui.com

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