Bier: Zwei Welten aus Malz

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Was haben Hipster und Schweigemönche gemein? Sie brauen die Biere der Stunde – weltweit gefragt. Ob jenseits des Reinheitsgebots oder jenseits der Klostermauern.

Querdenker. Mikkel Borg Bjergsø, Mikkeller-Gründer.
Querdenker. Mikkel Borg Bjergsø, Mikkeller-Gründer.(c) Beigestellt

„Wir glauben: Das Reinheitsgebot ist hirnrissig.“ Starke Worte, die nicht verwundern, wenn man von ein paar der 500 Sorten erfährt, die Mikkel Borg Bjergsø im Angebot hat: Rote-Rüben-Bier, refermentiertes Hollerblütenbier, spontan vergorenes Weichselbier. Für das Kopenhagener Unternehmen Mikkeller eine Bezeichnung zu finden, ist schwierig: Brauerei trifft es nicht – Bjergsø ist Gypsy Brewer und nützt als solcher die Leerkapazitäten bestehender Brauereien in dreißig Ländern, hauptsächlich Belgien, den USA und Norwegen, wo er seine Rezepte hinschickt und Biere nach seiner Façon zurückbekommt. Der Begriff Bierlokal greift auch zu kurz – Mikkeller exportiert seine Biere in vierzig Länder und hat mehrere Dependancen. Aus einem Zwei-Mann-Versuchsteam, bestehend aus dem ehemaligen Physik- und Mathematiklehrer Mikkel und seinem Schulfreund Kristian Keller, ist Mikkeller zu einem Unternehmen mit 100 Mitarbeitern geworden – „alle zusammengezählt, auch die in unserer neuen Filiale in Bangkok“, wie Geschäftsführer Jacob Gram Alsing erzählt, den das „Schaufenster“ in Kopenhagen getroffen hat.

Freakbiere. Mikkeller macht Signature-Biere für Restaurants wie das Noma oder das spanische El Celler de Can Roca – für Letzteres allein 14 Spezialsorten, „die haben eine völlig verrückte Bierkarte“. Früher einmal habe auch Mikkel Borg Bjergsø Bier schlicht als Durstlöscher und Stimmungsmacher gesehen und stets nach dem billigsten gegriffen. Bis er ein paar Erweckungserlebnisse in Form von stark gehopften Indian Pale Ales hatte und beschloss, sich selbst ans Bierbrauen zu machen. In der eigenen Küche. Zweieinhalb Jahre werkte man so im Kleinen, bis das Unternehmen mit dem Arbeitstitel „Freakbier“ mit schrägen Zutaten immer größer wurde – man hatte einen Nerv getroffen. Und der hat mit dem Reinheitsgebot eben reichlich wenig zu tun. Etwa im Fall des zweimal pro Jahr gebrauten Kaffee-Biers „Beer Geek Brunch Weasel“, das laut Alsing nur mit dem vieldiskutierten Schleichkatzenkaffee Kopi Luwak so funktioniert: „Der hat viel weniger Säure als andere Kaffees, das Ergebnis ist komplett anders als vergleichbare Kaffee-Biere.“ Vielleicht liegt das aber auch daran, dass Rauchmalz eine gewisse Lakritznote hinzufügt, wie er meint.

Ein wichtiges Thema für Mikkeller ist derzeit das Fasslagern: Bjergsø experimentiert gerade mit Sauterne- oder Malaga-Fässern, in denen er Biere vier bis sechs Monate lässt, darunter auch eines mit 18,3 Prozent. In Belgien hat man einen eigenen Bierreiferaum, aber auch in Norwegen und anderen Ländern, in denen Mikkeller brauen lässt, stehen Fässer. „Da lassen wir uns von den Brauereien, deren Kapazitäten wir nutzen, mit Kontakten zu Weinhändlern und Winzern helfen.“

Mikkeller etabliert nicht nur neue Bierstile, sondern auch neue Bierlokalstile – Tattoo-Sessions im Hinterzimmer inklusive. „Wir wollen, dass unsere Bars feminin sind“, sagt Jacob Gram Alsing, „nicht so dunkel wie amerikanische Bierlokale.“ Die Mikkeller-Lokale sind schon am Nachmittag gut gefüllt, man trinkt aus 0,2-Stielgläsern, um möglichst viele der täglich wechselnden Biere kosten zu können. Und der Frauenanteil ist hoch. Anna Burghardt

Tipp

Schräg. Mikkeller-Biere gibt es bei Ammersin (s. Tipp rechts) und Verde 1080, Josefstädter Str. 27, 1080 Wien.

Darf man eine Abtei ausspionieren? Im belgischen Westmalle stellt sich das schlechte Gewissen ein, wenn man versucht, unter dem massiven Tor durch einen Blick in das Kloster zu erhaschen. Dem Alltag der 36 Bewohner kommt man nie näher, als die Hand mit der Kamera durch die Zaunlatten reicht, doch für ihr weltbekanntes Produkt gibt es zum Glück eine Anlaufstelle. Eric Loobuyck empfängt die Bierfreunde im Café Trappisten, rund 20 Kilometer von Antwerpen entfernt. Bevor es Bier zu kosten gibt, taucht man in die Ordensgeschichte ein.

Verborgen. Hinter Klostermauern  (hier: Westmalle) wird gebraut.
Verborgen. Hinter Klostermauern (hier: Westmalle) wird gebraut. (c) Beigestellt

Aus den 1098 gegründeten Zisterziensern ging später die Teilgruppe der Strengen Observanz hervor – besser bekannt als die Trappisten. Über 170 Klöster leiten ihren Namen vom Stammhaus La Trappe in der Normandie ab; die Popularität der Ordensmänner verdankt sich einem Bruchteil von ihnen, der das Label „Authentic Trappist Product“ auf seinen Erzeugnissen führen darf. Neben Käse und Likören sind das vor allem die Biere der belgischen Klöster Achel, Chimay, Rochefort, Orval, Westmalle und Westvleteren. Diese Namen können Bierliebhaber wie ein Mantra aufsagen, in den meisten Getränkekarten würdigt man sie mit einer eigenen Kategorie.

Supervision. Dabei legen keineswegs mehr die Mönche selbst Hand an den Braukessel. Die Brauerei muss innerhalb der Mauern einer Abtei von den Mönchen oder unter ihrer Aufsicht geführt werden. Bis man sich 1934 entschloss, das als „patersbier“ den Geistlichen vorbehaltene Hausgetränk zu kommerzialisieren, hatten tatsächlich die Mönche das Sagen. Bei der heute 130.000 Hektoliter pro Jahr umfassenden Produktion kommen in Westmalle Gärprofis zum Zug. Was sich nicht geändert hat: die Auflage, dass der Verkauf des „Dubbel“- und „Triple“-Biers nur dem Orden oder wohltätigen Zwecken dienen darf.

Trotz des Verzichts auf monastische Arbeitskräfte blitzt die katholische Lehre durch. Wie von jeder belgischen Brauerei gibt es auch für die Trappisten-Biere eine eigene Glasform – die nicht zufällig an einen Kelch erinnert. Doch damit endet das Allegorische nicht, erläutert Eric Loobuyck mit einem Glas Dubbel. Beim Einschenken, so der Abteisprecher, müsse das Verhältnis zwischen Bier und Schaum stimmen, Schließlich stehen die beiden für das „ora“ und „labora“ der Mönchsregel: „Der Schaum stellt das Beten und die Liebe zur Schöpfung dar, das Bier das Ergebnis der Arbeit. Die soll nicht zu knapp ausfallen, aber ohne Liebe geht es auch nicht“, schmunzelt der polyglotte Pensionist.

Noch legendärer als das Kloster in der Antwerpener Provinz ist allerdings Sankt Sixtus in Westvleteren. Bier wird hier nur an Private abgegeben, mehr als zwei Kisten bekommen auch sie nicht, der Wiederverkauf ist nicht gestattet. Der Weg zu den raren Flaschen ohne Etikett gleicht einem Büßergang: Neben dem Autokennzeichen muss per Internet auch die Ankunftszeit des Käufers angegeben werden. Doch selbst wenn man allein vor dem Kloster stehen sollte, wird das Bier erst zum vereinbarten Zeitpunkt ausgegeben. Danach gibt es wieder zwei Monate Pause.

Durch die Verknappung des Biers und weitgehenden Verzicht auf Marketing haben die Trappisten aus Westflandern das Gegenteil erreicht. Ein weltweiter Run auf die Flaschen setzte ein, als die amerikanischen Biertrinker das – wie alle Trappistenbiere – obergärige Westvleteren für sich entdeckten. Doch nicht nur die Mönche nervt die Nachfrage der Amis. Das Bier Central in der Antwerpener Keyserlei 25 widmet in seiner 116 Seiten starken Getränkekarte der Tatsache, dass es kein Westvleteren verkauft, einen eigenen Absatz. Schließlich hält man sich hier an die Regeln, während anderswo die Einzelflasche um 16 Euro gehandelt wird.

Austro-Trappist. Bis vor Kurzem führte die Erfolgsgeschichte der verschwiegenen Mönche übrigens nach Oberösterreich. Engelszell, einziges Trappistenkloster des Landes, hatte den Boom gemeinsam mit den Brauern aus Hofstetten und dem Stift Schlägl (als Abfüller) genutzt. Seit diesem Mai sind zwei Sorten erhältlich, das Gregorius (9,7 % Alkohol) und das leichtere Benno. Der Großteil geht aber in die USA, wie Abt Marianus Hauseder bei der Segnung der Anlage erklärte. Trotz der Exportquote ist man mit einer Kapazität von 15 Hektolitern je Sud in Engelszell ein kleiner Bruder der belgischen Klosterbrau-Giganten. Doch die Familie wächst: 2013 kam das Kloster Maria Toevlucht in Zundert als zweite holländische Trappisten-Brauerei und die St.-Joseph-Abbey in Spencer/Massachusetts dazu. Wenn die Novizen nur ebenso zahlreich wären wie die neuen Biere! Rolang Graf                                       

Tipp

Belgische Trappisten-Biere gibt es bei Alchimiste Belge, Bergstraße 10, Salzburg, in Wien bei Ammersin, Speisinger Straße 31, 1130, oder Wiedner Hauptstraße 140, 1050 Wien. Karl Schiffner, der in Aigen-Schlägl das Engelszeller Bräu ausschenkt, versendet auch. www.biergasthaus.at oderwww.stift-engelszell.at

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