Der Meister des steirischen Apfelbalsams

Alois Gölles
Alois GöllesDie Presse
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Vor 30 Jahren hat Alois Gölles den Apfelbalsamessig erfunden. Heute ist er einer der größten Essig- und Edelbrand- produzenten des Landes. Das Steirereck beliefert er seit damals.

Sein Magenweh war schuld. „Wenn ich zu sauer gegessen habe, hab ich Magenweh bekommen“, sagt Alois Gölles heute. Das war auch beim Essig so. Manchen hat er gut vertragen, anderen wieder weniger. Also kam er auf die Idee, sich mit jenem, der ihm guttut – und schmeckt –, genauer auseinanderzusetzen. Das war vor genau 30 Jahren. Heute betreibt Alois Gölles im steirischen Riegersburg nicht nur eine der größten Essig- und Edelbrandmanufakturen des Landes. Er kann sich auch als Erfinder des Apfelbalsamessigs rühmen. „Das war unsere Erfindung. Nach 15 Jahren, Ende der 1990er, gab es die erste Kopie.“

Gölles hat damals als Sohn eines Tafelobstproduzenten und Absolvent der Wein- und Obstbauschule in Klosterneuburg aus der Not eine Tugend gemacht. Obst war ausreichend vorhanden, aber eben kein Wein. „Essig war damals unverkäuflich“, sagt er. Heute haben die rund 15 verschiedenen Essigsorten – vom Apfel- und Birnenbalsam über Marille, Tomaten oder Kirsche bis zum Schilcher- oder Bieressig – die ebenso vielen Edelbrände überholt. „Vor zehn Jahren war die Aufteilung halbe-halbe. Dann haben sich die Edelbrände ein bisschen bescheidener entwickelt. Mittlerweile hat der Essig mit 55 Prozent einen leichten Überhang.“


Vom Ribiselwein zum Balsam. Begonnen hat alles aber – abgesehen von ein paar Versuchen mit Erdbeer- und Ribiselwein – mit dem Schnaps. „Apfelbrand und Apfelbrand im Eichenfass“, antwortet Gölles, ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken, auf die Frage nach den ersten Sorten. Die Edelbrände gingen gut. „Ende der 1980er gab es einen richtigen Boom, mit den ganzen Digestif-Wagen in den tollen Restaurants. Da waren wir von Anfang an dabei.“ Lange haben die Edelbrände den Essig quersubventioniert. Bis auf einen innovativen Weinhändler war damals niemand an hochwertigem Essig interessiert. Gölles wollte den Apfelbalsamessig nach zwei erfolglosen Jahren wieder aus dem Sortiment nehmen. „Dann wurde der Apfelbalsam bei einer Balsamico-Verkostung als Pirat eingeschleust und sehr gut bewertet. Ab dann ist es aufwärtsgegangen.“

An noch etwas kann er sich genau erinnern, an einen Besuch einer Familie. „Die wollten etwas verkosten, aber wir hatten ja keine Verkostungsräume, nur unser Wohnzimmer. Die haben gemeint, nein, das tut man nicht, das ist privat. Aber wir haben gesagt: Was anderes haben wir nicht.“ Also wurde ebendort verkostet. Die Familie war vom Essig begeistert und hat eine Bestellung aufgegeben. „Sie haben gesagt, wir haben ein Restaurant in Wien und sind die Familie Reitbauer.“ 1986 war das, und seit diesem Jahr beliefert Gölles deren Restaurant, das Steirereck. „Diese 28 Jahre sind unsere 28 Goldmedaillen. Solche zufriedenen Kunden sind hundertmal mehr wert als irgendeine Megaauszeichnung“, sagt Gölles und führt in sein Essiglager.

Das Obst, das er für die Essigproduktion braucht, baut er entweder selbst an oder kauft es zu. Auf zehn Hektar Fläche hat er vor allem alte und seltene Sorten wie Maschanska-Äpfel, Kriecherln, Hauszwetschken oder Saubirnen – für den Schnaps – angebaut. „Die kann man nicht mehr kaufen, deshalb haben wir sie ausgepflanzt. Vieles beziehen wir aus der Region, wir haben hier ja zwei Drittel des Obstbaus in Österreich.“


Acht Jahre im Fass. Derzeit herrscht Ruhe in der Essigproduktion, richtig losgehen wird es erst ab Juni. „Da sind die Kirschen, Marillen und Himbeeren dran, im August kommen die Zwetschken und die Äpfel dann im September, Oktober.“ Die Essigproduktion dauert im Vergleich zur Lagerung nicht lange, je nach Sorte bis zu sechs oder acht Wochen. Die Lagerung ist wesentlich zeitintensiver. Ein normaler Apfelessig lagert drei bis vier Jahre. Der Apfelbalsamessig hingegen acht bis zehn Jahre. In der XA-Ausführung gibt es ihn auch mit 20 Jahren Reifung.

An die 1000 Fässer befinden sich im Essiglager. Die kreativen Essige, wie Gölles sie nennt, also Tomate oder Himbeere, lagern in Edelstahltanks. „Da will ich die pure Himbeere oder die pure Tomate schmecken und brauche keine Sekundäraromen durch die Reifung.“ Die klassischen Essige (Apfel, Veltliner, Schilcher und Zweigelt) sowie die Balsamessige (Apfel, Birne, Wein und Weißer Balsam aus Traubensaft) lagern in Holzfässern. Wobei das Holz dabei im Hintergrund steht. „Es geht uns nicht um die Barrique-Note. Wir verwenden die Fässer als neutrales Lagergebinde. Das Holz hat sein Aroma eh schon abgegeben, aber es erlaubt eine Verdunstung, die für die Reifung wichtig ist.“ Durch das Verdunsten wird der Balsamessig – der seine spezielle Konsistenz durch das Einkochen des Süßmostes vor der Essigproduktion gewinnt – noch dicker.

Bei der Temperatur hat Gölles ganz andere Ansprüche als ein Winzer. „Der Weinbauer will einen möglichst feuchten Keller. Während wir es möglichst trocken wollen, weil dann möglichst viel verdunsten kann. Je kühler es ist, desto langsamer ist die Reife.“

Die besonderen Schätze, den 20-jährigen Apfelbalsamessig, hat Gölles in einem separaten Raum gelagert. Dort stehen Batterien von Fässern in unterschiedlicher Größe. Im kleinsten befindet sich dabei der jeweils älteste Essig. „Wir füllen immer vom großen ins kleine Fass um“, erklärt Gölles und zapft Essig mit der Pipette aus einem Behälter. Allein optisch ist der Unterschied deutlich. Der 20-Jährige ist im Vergleich zum achtjährigen dick und ölig und auch wesentlich geschmacksintensiver.

Nicht jeder Jahrgang seit 1984 ist etwas geworden. „'85, '86 wurden nichts, '87 und '88 waren gut, '89 wieder nichts und seit '90 haben wir es im Griff, bei dem sind wir geblieben.“ Die misslungenen Jahrgänge musste er wegschütten oder „über das Kanalgitter grob filtrieren“, wie er es nennt.

Im Alltag setzt er selbst den Apfelbalsam oder den Weißen Balsamessig ein. „Ich bin mehr der Grill-Typ. Aber wenn ich einmal koche, dann mach ich ein Steak in der Pfanne, zerlass ein bisschen Butter und vermisch sie mit einem Esslöffel Apfelbalsam, darin wende ich dann das Steak. Schmeckt köstlich.“ Vom Magenweh sagt er nichts mehr.

In Kürze

Alois Gölles hat in den 1980er-Jahren mit Edelbränden und anfangs Erdbeer- und Ribiselwein im steirischen Riegersburg begonnen. Seit 1984 stellt er Apfelbalsamessig her. Mittlerweile hat sich sein Sortiment auf 17 Produkte ausgeweitet. Neben Balsamessigen (Apfel, Birne, Wein und Traubensaft) und klassischen Sorten stellt er auch kreative Sorten wie Himbeere, Kirsche, Marille oder Tomate sowie rund 15 Edelbrände her. Die Familie Gölles betreibt auch das Genusshotel Riegersburg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2014)

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