Schokolade aus der Wiener Vorstadt

Jonny Schokoladen
Jonny Schokoladen Stanislav Jenis
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In einer unscheinbaren Meidlinger Wohngegend werden in der Manufaktur Jonny Schokoladen seit Generationen Rumpastillen hergestellt. Für Schokoosterhasen ist der Betrieb zu klein.

Man muss es schon wissen. Sonst würde man an dem unscheinbaren Gebäude in der Tivoligasse 24 in Wien Meidling einfach vorbeigehen. Selbst wenn man vor dem Haus steht, könnte man noch eine Wohnung hinter den Fenstern mit den zurückgerafften Vorhängen und der Blume auf dem Fensterbrett vermuten. Sieht man jedoch genauer hin, entdeckt man in einem Fenster ein weißes A4-Blatt mit einer Produktliste, und spätestens dann wird klar: Man steht tatsächlich vor der Manufaktur von Jonny Schokoladen. Betritt man die Räume, riecht man schon die Schokolade, mit der Eveline und Anton Dürnberger Rum, Früchte und Nüsse überziehen.

Das Aushängeschild von Jonny Schokoladen sind Rumpastillen. Anton Dürnberger führt in den hinteren Teil der rund 100Quadratmeter großen Manufaktur und öffnet die Tür zum Kühlraum. Dort stehen Metallständer, auf denen viereckige Formen mit vielen kleinen, runden Löchern lagern. In den Löchern steckt das Herz der Rumpastillen: die Rum-Zucker-Mischung. „Rumpastillen in der klassischen Form erzeugt niemand mehr außer uns“, sagt Dürnberger. Die flache Form macht den Unterschied: „Da kann auch die Industrie nicht mit. Es gibt zwar Maschinen, mit denen man das bewerkstelligen kann, aber da ist der Bruch relativ hoch.“ Bei Jonny Schokoladen haben die Rumpastillen lange Tradition. Eveline Dürnbergers Vater, Alois Niederle, hat einst damit begonnen – in seiner Wohnung.

Alois Niederle war Sudetendeutscher und nach dem Krieg in Wien geblieben. Dort probierte der gelernte Zuckerbäcker zunächst einmal aus, ob in Rumpastillen seine wirtschaftliche Zukunft liegen könnte. Nicht immer sorgte Niederle mit den Süßigkeiten für Begeisterung. „Wenn man weiß, wie das staubt mit diesen Puderkarrees... Als der Onkel einmal gekommen ist, hat er gesagt: ,Alois, ich kommt nicht mehr auf Besuch, außer du zahlst mir die Reinigung von meinem Mantel‘“, erzählt sie. Verkauft wurden sie anfangs übrigens mit einem Bauchladen. Später siedelte sich Niederle mit der Pastillenproduktion in einem Kellerlokal in der Pohlgasse an. Auch aus dieser Zeit kennt Eveline Dürnberger eine Anekdote: „Damals hat er die Rumpastillen ja noch händisch getunkt und sie dann zum Trocknen auf die Stiegen gelegt.“ Eines Tages sei der Hausherr im Dunkeln die Stiegen hinuntergegangen und in die dort lagernden Formen gestiegen. „Wie er unten war, hat er gesehen, was er angerichtet hat. Dann hat er gesagt: Brauchen S' mir keine Miete zahlen für den Monat.“ Der nächste und letzte Umzug führte die Produktion in die Tivoligasse – und trägt seitdem den Namen Jonny Schokoladen. Diesen hatte Niederle mit der dort angesiedelten Firma übernommen.


Wie Hustenzuckerln. Inzwischen haben die Mitarbeiter die rohen Rumpastillen in den vorderen Raum geräumt, in dem das Fließband und der Kühlkanal stehen. Eine Mitarbeiterin legt die weißen Pastillen, die in der Tat an Hustenzuckerln erinnern, auf das laut ratternde Fließband. Anton Dürnberger gießt die Schokolade oben in einen Trichter. „Ja, stimmt, das ist unser Schokobrunnen“, sagt er und lacht. Gleich hinter dem Trichter bringt das Fließband die nun mit Schokolade übergossenen Pastillen in den langen Kühlkanal, an dessen Ende sie von der zweiten Mitarbeiterin entgegengenommen und in Schachteln gefüllt werden. Die Schokolade stellen die Dürnbergers übrigens nicht selbst her, sie wird aus Berlin geliefert.


Vom Bademeister zum Konfektmacher.
Auch heute noch könnten die beiden theoretisch von den Rumpastillen leben, meint Anton Dürnberger: „Da müssten wir allerdings wesentlich genügsamer sein. Deshalb haben wir mehrere Produkte.“ Sie überziehen kandierte Früchte mit Schokolade oder erzeugen Nussschokoladen. Für Ostern gibt es Schokolade mit Ostermotiven, Osterhasen leider nicht: „Da kann man mit dem Preis nicht mithalten“, erklärt Anton Dürnberger. Die Früchte für Jonny Schokoladen kommen zum Teil vom Großhändler, zum Teil von der Confiserie Heindl. Einzige Ausnahme: die Orangen. „Wir brauchen ja unbehandelte Schalen“, erklärt Anton Dürnberger. In Griechenland fand er einen Orangenzüchter, der ihnen nicht nur unbehandelte Orangen liefert, sondern auch eine Sorte mit einer ausreichend dicken Schale, um daraus Orangette herstellen zu können.

Anton und Eveline Dürnberger sind ein fröhliches und entspanntes Paar. „Über Italien“, antwortet der Salzburger auf die Frage, wie es ihn von Lofer nach Meidling verschlagen hat. Sie arbeitete damals als Pädagogin in einem Kinderheim in Italien, er war Bademeister. Später zog Anton Dürnberger nach Wien. Als Alois Niederle eines Tages ins Spital musste, fragte er seinen Schwiegersohn, ob er nicht in der Firma mitarbeiten möchte. Er wollte und machte den Bonbon- und Konfektmacher nach, um später gemeinsam mit seiner Ehefrau das Geschäft zu übernehmen. Das Paar hat mittlerweile drei Kinder, wobei zwei von ihnen ebenfalls in der Schokobranche arbeiten. Die älteste Tochter, Michaela, betreibt ein Zuckerlgeschäft in der Neubaugasse, der Sohn wiederum macht gerade den Meisterbrief als Zuckerbäcker und soll die Firma übernehmen.

Auch wenn es für viele wie ein Traum klingen mag, das Aufwachsen in einer Schokoladenmanufaktur war für Eveline Dürnberger wenig aufregend. „Ich hab mir als Kind nie viel aus Schokolade gemacht.“ Mit einer Ausnahme: „Schön war es, wenn der Großhändler gekommen ist. Er hat immer Schwedenbombenbruch mitgehabt, davon habe ich immer ein Packerl bekommen“, erzählt sie. Inzwischen hat aber auch sie Gefallen an der Schokoladenproduktion gefunden: „Es ist eine schöne Arbeit, weil sie abwechslungsreich ist und man eigene Ideen verwirklichen kann. Das ist schon klass!“

in Kürze

Alois Niederle gründete in den 1950er-Jahren die Manufaktur Jonny Schokoladen. Anfangs produzierte er Rumpastillen in seiner Wohnung im siebten Bezirk und verkaufte diese per Bauchladen in den Einkaufsstraßen. Heute leiten seine Tochter Eveline Dürnberger und ihr Ehemann Anton die kleine Manufaktur in Meidling. Erhältlich sind die Rumpastillen und Schokoladen bei Süßwaren Dürnberger (Neubaugasse 18, 1070 Wien) oder bei ausgewählten Händlern: www.jonny-schokoladen.at.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2014)

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